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Der Mond bricht durch die Wolken

Der Mond bricht durch die Wolken

Titel: Der Mond bricht durch die Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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flüsterte: »Bis jetzt hat er nichts gesagt, Sir.«
    »Aber nur zehn Minuten, wohlgemerkt«, erklärte die mürrische Schwester. »Er braucht Ruhe.« Sie blickte auf die Uhrbrosche an ihrem Busen und stellte sich ans Fenster. Ling ging zum Bett.
    »Nun, Youings, wie geht’s?« fragte er in gedämpftem Ton.
    Youings lächelte schwach.
    »Ach, ganz gut«, sagte er. »Ich werd’s überleben. Gut, daß Sie gekommen sind, weil ich Ihnen einiges sagen muß. Uber Ortrud. Ich habe diese Frau geliebt, Superintendent. War vernarrt in sie. Hätte alles für sie getan na, denken Sie an das viele Geld, das ich bezahlt hab’. Aber jetzt ist es vorbei. Sie hat mich nie gut behandelt. Und diese Geschichte, das ist der letzte Tropfen. Ich geh’ in mein eigenes Haus, um mir ein sauberes Hemd zu holen, und was finde ich? Ich finde sie, wie sie einen gräßlichen Collegeknaben mit bloßen Füßen küßt. Na, ich habe mir so etwas lange gefallen lassen und hätte wohl auch weiter zugesehen. Aber den Schürhaken zu nehmen und mich umbringen zu wollen, das ist was anderes. Genug ist genug, sage ich mir. Ich will nie mehr an sie denken oder sie sehen. Es ist mir ganz gleich, was aus ihr wird, mich kümmert das nicht mehr. Von jetzt an will ich nur noch mein eigenes Leben leben, allein.«
    Der Constable schrieb eifrig. Die Schwester sagte mißbilligend: »Sie reden zuviel, Mr. Youings.« Ling sagte: »Sie hat versucht, mir die Augen herauszudrücken.« Diese Demütigung schmerzte ihn immer noch.
    »Hat sie?« Youings schien weder besonders überrascht noch interessiert zu sein. »So, so, was sagt man dazu!«
    »Hat sie Routh umgebracht?«
    »Natürlich, wer denn sonst? Deshalb habe ich ja das ganze Geld bezahlt. Erpressung. Jemand wußte, daß ich an ihr hänge, und hat das ausgenutzt.«
    Der Constable schrieb noch eifriger.
    »Erpressung!« rief Ling.
    »Psst!« sagte die Schwester.
    »‘s war nicht Hagberd, der ihn umgebracht hat«, fuhr Youings fort. »Er war bekloppt, aber kein Mörder. Er ist nur zufällig auf die Leiche gestoßen und hat sie zerlegt.«
    »Aha«, sagte Ling. »Dann erzählen Sie von der Erpressung.«
    Youings gähnte; seine anfängliche Redseligkeit hatte sich gelegt, und Ling mußte ihm von nun an konkrete Fragen stellen. Am Tag nach Rouths Ermordung habe er einen anonymen, mit Maschine geschriebenen Brief erhalten, sagte er, mit der Mitteilung, daß seine Frau das Verbrechen begangen habe und der Verfasser zur Polizei gehen werde, wenn er nicht zahle. Jeden Dienstag solle er fünfzig Pfund in Banknoten in einen bestimmten hohlen Baum in Holt’s Wood legen; er solle sich dort nicht herumtreiben oder die Behörden verständigen, sonst würde Ortrud verhaftet werden. Youings hatte etwas Geld angelegt; er hatte die Papiere schnell verkauft und genau getan, was man von ihm verlangte. Ortrud sei ihm damals noch unendlich kostbar gewesen, und der Gedanke, sie könnte ins Gefängnis geworfen werden, hätte ihm das Herz abgedrückt. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich zu weigern.
    »Aber der Beweis, Mann«, sagte Ling fassungslos. »Welchen Beweis hat der Erpresser geliefert, daß Ihre Frau in den Mord an Routh verwickelt war?«
    Keinen, sagte Youings, woraufhin Ling tief seufzte. Er hätte keinen konkreten Beweis gehabt, ergänzte Youings, aber er habe Ortrud die Behauptung vorgehalten, und sie hätte die Wahrheit fröhlich zugegeben und gemeint, es sei nicht schade um Routh. Youings war entsetzt gewesen, hatte das aber eingesehen; wie alle anderen, außer Mrs. Leeper-Foxe, hatte er Routh für einen gräßlichen Menschen gehalten, und es gab gewiß mildernde Umstände, auch wenn Ortrud sich nicht dazu herbeigelassen hatte, ihm Einzelheiten zu schildern. Jedenfalls mußte sie um jeden Preis vor dem Gefängnis bewahrt werden, also hatte er gezahlt, und das bis zu diesem Nachmittag, als Ortrud ihn mit dem Schürhaken niedergeschlagen und ihn dadurch zu einer Sinnesänderung bewogen hatte.
    Hatte er den Erpresserbrief behalten?
    Nein, verbrannt.
    Hatte er irgendeine Ahnung, wer der Erpresser sein mochte?
    Nein, keine.
    Die Schwester schaute wieder auf ihre Uhr und sagte: »Das genügt fürs erste. Die Zeit ist vorbei. Sie können morgen wiederkommen.«
    Und Ling war bereit zu gehen. Es gab noch Einzelheiten zu klären, aber die Hauptsache stand fest.
    »Und den können Sie mitnehmen«, sagte die Schwester und wies auf den Constable. »Wir können hier keine Blauröcke gebrauchen.« Sie schob die beiden Männer zur

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