Der Mond im See
leben, das habe ich mir immer gewünscht.« Eine Weile erging sie sich in farbigen Schilderungen unseres zukünftigen Lebens, von dem sie offenbar ganz bestimmte Vorstellungen hatte.
Ich hörte mir das an und sagte nicht viel dazu. Immerhin entnahm ich ihren Worten, daß sie sich nun doch entschlossen hatte, mich zu heiraten. Ich hatte Bill ausgestochen – von allen anderen gar nicht zu reden.
Ich sagte: »Nach Indien brauche ich sowieso nicht mehr. Meine Firma in München hat mir auch geschrieben. Sie haben ebenfalls eine erstklassige Position für mich bereit, wenn ich mich genügend erholt habe. Offenbar sind sie sehr stolz darauf, einen Helden wie mich zu den Ihren zu zählen.«
»Na ja«, meinte Annabelle, »München ist ja auch ganz nett. Aber bedenke doch: Paris!«
»Ich werde darüber nachdenken«, versprach ich. »Aber ich glaube nicht, daß ich Jacques' Angebote alle annehmen werde. Sieh mal, ich will mich nicht dafür entlohnen lassen, was ich getan habe. Ich habe ja auch gar nicht so viel getan. Ich habe einfach Glück gehabt. Wenn er mir partout etwas schenken will, dann wüßte ich etwas, worüber ich mich sehr freuen würde.«
»Was denn?« fragte sie.
»Bojar. Ich möchte Bojar gern haben.«
»Bojar? Du bist komisch. Aber dazu brauchst du Jacques nicht. Den gibt dir Hélène auch so. Und ich auch. Natürlich würden wir Pferde haben, das ist doch ganz klar. Wo immer wir leben.«
»Hm«, machte ich, und beschloß, in den nächsten Tagen nicht nur über meine zukünftige Stellung nachzudenken, sondern auch darüber, wie es sein würde, mit Annabelle verheiratet zu sein.
Ich hätte ihr gern noch ein paar Fragen gestellt, aber ich tat es nicht. Ich sagte statt dessen: »Du könntest mir einen Gefallen tun. Wenn du wieder zu Hause bist, fahre doch mal bei Kommissär Tschudi vorbei und frage ihn, ob er nicht einmal eine kleine Dienstreise hier in diese Gegend hat. Ich würde ihn gern sprechen.«
Kommissär Tschudi kam schon knapp eine Woche später. Er sagte mir, er habe schon darauf gewartet, mit mir zu reden. Und er könne sich denken, daß ich manches von ihm wissen wolle.
»Ich habe mich in letzter Zeit weitgehend aus den Zeitungsberichten informiert«, sagte ich. »Dieser Mensch, dieser –«, der Name wollte mir nicht über die Lippen, »dieser Ungar war also schon seit einiger Zeit aus Amerika zurück und hat die ganze Sache planmäßig aufgezogen?«
»Ja. Er war 1958 nach Amerika gegangen, hatte drüben zunächst keinerlei unliebsames Aufsehen erregt, war aber dann zu einer Gangsterbande gestoßen, die sich mit Erpressungen und Rauschgifthandel ein ganz lukratives Leben verschaffte. Er wurde in verhältnismäßig kurzer Zeit sogar eine Art Anführer in dieser Gemeinde. Er muß ein ganz gescheiter und vor allem umsichtiger Bursche gewesen sein, der es lange Zeit geschickt verstand, im Hintergrund zu bleiben. Dazu verhalfen ihm natürlich sein gutes Aussehen, sein sicheres Auftreten und seine tadellosen Manieren. Er verkehrte, privat gewissermaßen, in besten Kreisen. Das war beruflich natürlich sehr nützlich. Bis ihm die Kollegen drüben dann doch auf die Schliche kamen. Daraufhin beschloß er, Amerika für eine Zeitlang zu meiden.
Er kam nach Paris – unter anderem Namen natürlich – und arbeitete in der gleichen Branche weiter. Verbindungen hatte er wohl von drüben mitgebracht. Die Brüder sind ja international. Er muß Bondy wiedergetroffen haben, ob zufällig oder von ihm herbeigeführt, wissen wir nicht, er veranlaßte ihn, Frau Bondy zu verlassen und sich ganz in seine Dienste zu stellen. Wie gesagt, er liebte es, im Hintergrund zu bleiben. Er organisierte nur, die anderen mußten die Arbeit machen. Wir haben inzwischen noch ein paar Mitarbeiter dieser Art in Paris aufgetrieben, die aber mit der Entführung nichts zu tun hatten.
Maria Sampini alias Schwester Dorette muß er ziemlich bald nach seiner Ankunft in Paris kennengelernt haben. Sie war im Verlauf ihres bewegten Lebenswandels dort gelandet, hatte eine Zeitlang in einem Nachtclub gearbeitet, wohl so als eine Art Animierdame, und war nebenbei die Freundin eines Weingroßhändlers aus der Bourgogne, der wohl hauptsächlich für ihren Lebensunterhalt aufkam. Sie verließ ihn wegen Huszár, in den sie sich offenbar leidenschaftlich verliebt hatte. Sie muß diesem Mann hörig gewesen sein. Denn was immer sie auch getrieben hat, irgendwelche kriminellen Delikte sind ihr nicht nachzuweisen. Es ist unbeschreiblich, was
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