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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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die dunklen Augen von Schwesterchen Dorette, die seltsamerweise bei meinem Anblick zu erschrecken schien. Ich grüßte höflich, aber sie erwiderte den Gruß nicht. Starrte mich nur erschrocken an. Den Mann, der am Steuer saß, hatte ich wirklich nur mit einem Blick gestreift. Trotzdem erkannte ich ihn. Es war der Mann, der im ›Storchen‹ in A. am Nebentisch gesessen hatte, als ich dort mit Kommissär Tschudi zu Mittag speiste. Der Mann, der mir so seltsam bekannt vorgekommen war. Er trug auch heute wieder eine Sonnenbrille, das hatte ich gesehen. Viel mehr nicht.
    Nanu, dachte ich. Komisch, wie kommt der hierher? Und was hat er mit der Krankenschwester zu tun? Und dann fand ich selbst eine Erklärung. Er war vielleicht ihr Freund. Darum hielt er sich hier in der Nähe auf. Und darum war er mir auch bekannt vorgekommen. Vielleicht hatte ich ihn mal in Gesellschaft Dorettes gesehen.
    Als ich auf der Terrasse des Bahnhofshotels mein Bier trank, kam ich darauf, daß dies nicht der Fall sein konnte. Ich wußte genau, wann und wo ich Dorette gesehen hatte. Auf jeden Fall nie in Gesellschaft dieses Mannes. Woher kannte ich ihn bloß? Und dann fiel mir etwas ganz und gar Blödsinniges ein. Was hatte der Kriminalrat a.D. erzählt? Der Mann, der den armen Mr. Bondy besucht hatte, trug eine Sonnenbrille. So jedenfalls hatte das Gretli berichtet. Lächerlich! Sonnenbrille trugen heute die meisten Leute, wenn die Sonne schien. Aber ich kam von diesen komischen Ideen nicht mehr los. Hatte nicht Jonny, der Mixer, gesagt, Monsieur Bondy habe sich zu seinen Lebzeiten mit Schwester Dorette des öfteren unterhalten? War Bondy eben doch nicht zufällig hier gewesen? Und der Fremde mit der Sonnenbrille auch nicht? Welche Rolle aber spielt Schwester Dorette dabei? Es war also doch eine Eifersuchtsaffäre. Hübsch war das kleine Biest ja. Aber warum in Gottes Namen hielt sich der Sonnenbebrillte noch hier auf, falls er Charles Bondy die Kehle zugedrückt hatte? Und warum schließlich und endlich, und das regte mich am meisten auf, kam mir der Bursche so bekannt vor? Ein gutaussehender Mann, in meinem Alter vielleicht, ein markantes, durchaus wohlgeformtes Gesicht, dunkles volles Haar, gut angezogen – das hatte ich heute nicht gesehen, aber neulich in A. Woher kannte ich den Mann?
    Alles Unsinn. Ich zündete mir eine Zigarette an und bestellte ein zweites Bier. Ich kannte ihn nicht. Und heiß war mir. Tante Hille zu Ehren und weil heute Sonntag war, hatte ich mir eine Krawatte umgewürgt. Das hätte ich lieber unterlassen sollen. Aber wie auch immer, morgen würde ich nochmals nach A. fahren und im ›Storchen‹ zu Mittag essen. Vielleicht sah ich den Fremden wieder. Und vielleicht den Kommissär, und dem würde ich das dann erzählen. Machte ja nichts, erzählen konnte ich es ihm ruhig.
    Nach einer Weile sah ich den Wagen, in dem die beiden gesessen hatten, unten am Bahnhof vorbeifahren und in Richtung Norden verschwinden. Der mit der Sonnenbrille saß allein darin. Wo war Dorette geblieben?
    Ich war nahe daran, mich auf die Socken zu machen und nach ihr zu suchen, aber da erschien Tante Hille auf dem Bildschirm und hatte es eilig, nach Hause zu kommen. Sie müsse noch letzte Hand ans Mittagessen legen.
    Hätte ich Dorette doch gesucht! Hätte ich sie doch genommen und im See ersäuft, wo er am tiefsten ist.
    Noch vor dem Mittagessen fragte ich Gretli nach dem Mann mit der Sonnenbrille aus. War er groß oder klein? Dick oder dünn? Wie war er angezogen? Hatte er dunkles oder helles Haar? War er alt oder jung?
    Das Gretli antwortete mir bereitwillig, verwickelte sich in Widersprüche, so daß der Mann sowohl groß oder klein wie dick oder dünn gewesen sein konnte. Nur auf der Sonnenbrille und auf dem dunklen Haar beharrte sie eisern.
    »Was hast du denn immer mit diesem Kerl?« fragte Tante Hille kopfschüttelnd. »Der ist doch längst über alle Berge.«
    »Das ist es eben, was ich gern wissen würde«, sagte ich.
    Soweit der Sonntag bis zur Halbzeit. Daß ich gut zu essen bekam, braucht nicht extra erwähnt zu werden. Der Aigle, den ich zum Essen trank, machte mich müde, und ich zog mich zu einer Siesta in den Garten zurück. Im Schatten der Apfelbäume lag ich in einem Liegestuhl und fiel bald in einen unruhigen Schlaf. Und träumte.
    Der Fremde mit Sonnenbrille kam vor meinen Augen, ein paar Schritte von mir entfernt, aus dem Gutzwiller-Haus. Er zog die Tür hinter sich zu, und ich wußte, daß er soeben da drinnen Monsieur

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