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Der Mond im See

Titel: Der Mond im See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danella Utta
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Sprung verweigert, die Beine fest in den Boden gestemmt und war stehengeblieben. Mr. Jackson hing ihm auf dem Hals. Aber jedenfalls gelang es ihm, oben zu bleiben. Er setzte sich wieder zurecht, ritt ein Stück zurück, versuchte es nochmals – mit dem gleichen Ergebnis. Darauf suchte er sich einen Weg durch das Unterholz um die Stämme herum.
    »Du bist ganz schön gemein«, sagte Annabelle zu mir.
    »Ich?« fragte ich verwundert. »Wieso denn? Ich konnte ja nicht wissen, daß da Stämme herumliegen.«
    »Tommy springt nie.«
    »Woher soll ich das wissen?«
    Dann ritten wir endgültig nach Hause. Annabelle richtete das Wort nicht mehr an mich. Ich beobachtete Bojars lebhaftes Ohrenspiel, seinen schön gewölbten, kräftigen Hals, hörte, wie er zufrieden schnaubte, beruhigte ihn, als ein aufspringender Hase ihn zu einem gewaltigen Satz nach links veranlaßte, sah, daß er trotz der bereits wieder herrschenden Hitze kaum schwitzte, freute mich an einem letzten langen Galopp an einem Waldrand entlang und stellte schließlich eindeutig fest, daß Bojar mir in den wenigen Tagen bereits ans Herz gewachsen war. Und dann kam mir eine Idee. Ob die Latours ihn mir wohl verkaufen würden? Hier hatte sowieso keiner eine richtige Verwendung für ihn. Für gelegentlich reitende Gäste war er bestimmt nicht geeignet. Er brauchte einen festen Herrn, regelmäßige Arbeit und eine männliche Hand.
    Aber gleich darauf dachte ich: Was für ein Unsinn! Ich kann kein Pferd nach Indien mitnehmen. Also müßte ich ihn sowieso hierlassen, bis ich wiederkomme. In zwei Jahren. Das war eine lange Zeit. In meinem Leben schon und erst recht in einem Pferdeleben.
    Annabelle fragte nicht, ob ich mit ihnen frühstücken wollte. Auch nicht, wann wir uns an diesem Tag wiedersehen würden. Auch gut. Mr. Jackson jedoch verabschiedete sich mit fröhlichem Grinsen von mir, er hatte mir die Baumstämme nicht übelgenommen. »A very fine trip«, sagte er. »Tomorrow again?«
    »Why not?« mußte ich höflicherweise darauf noch erwidern.
    »See you tonight? We'll have a drink together.«
    Annabelle schloß sich dieser Einladung nicht an. Also grinste ich Mr. Jackson ebenfalls an, sagte: »Sure« und »that I'd like it«, und darauf verschwanden die beiden nach oben.
    Ich versorgte die Pferde, Jeannot war immer noch nicht da, und Annabelle schien der Meinung zu sein, wenn ich schon reiten durfte, konnte ich auch vertretungsweise die Pflichten des Pferdepflegers übernehmen. Was mir nichts ausmachte, denn ich tat es gern.
    Sie bekamen reichlich Äpfel von mir, denn das Apfelkammerli war zwar dem Verkehr wieder übergeben worden, jedoch weigerte sich Tante Hille, einen von diesen Äpfeln anzurühren oder auch nur zu Kuchen oder Kompott zu verwenden. Das kam den Pferden zugute, ich erschien nun täglich mit einer großen Tüte voll Äpfel, die sie schmatzend und sabbernd zu Apfelmus verarbeiteten.
    Eine knappe Stunde später parkte ich meinen Wagen vor dem Bahnhof von Marnbach, und Tante Hille kletterte im schwarz-weißen Sonntagsstaat heraus.
    »Es dauert nicht lange«, tröstete sie mich, »nur eine halbe Stunde.«
    »Laß dir nur Zeit. Ich mache einen Rundgang durch den Ort. Und dann setze ich mich dort auf die Terrasse vom Bahnhofshotel.«
    »Trinke aber keinen Alkohol, weil du ja noch nach Hause fahren mußt.«
    »So besaufen kann ich mich in der kurzen Zeit kaum, daß ich dich nicht heil die paar Kilometer nach Wilberg zurückbringen könnte.«
    Sie machte tadelnd »ts, ts, ts« und entschwebte.
    Ich schlenderte die baumbestandene Hauptstraße entlang, die sacht abwärts zum See führte. Abgesehen von einigen modernen Läden, hatte sich hier wirklich nichts verändert. Marnbach wirkte noch so verschlafen, wie eh und je. Am See gab es ein bescheidenes Stück Uferpromenade und keinerlei Fremdenverkehr. Sehr schön. Ich blickte eine Weile friedlich ins Wasser, stellte dann fest, daß mir sehr warm war. Es war genauso schwül wie gestern. Ein kühles Bier würde mir guttun, sicher hatte Tante Hille dagegen nichts einzuwenden.
    Auf einer anderen, schmaleren Straße stieg ich wieder hinan. Sicher hätte ich den großen amerikanischen Wagen, der hier am Straßenrand parkte, nicht weiter beachtet, aber da es absolut weiter nichts zu sehen gab, warf ich doch einen flüchtigen Blick darauf, als ich daran vorbeiging. Auf den Vordersitzen saßen zwei Leute, und die blonden Löckchen der Dame kamen mir bekannt vor. Zufällig wandte sie den Kopf, und ich schaute in

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