Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Gedanken.
„Nein. Ich werde parallel zur Küste weiterziehen. Da gibt es Kleinstädte mit guten Bibliotheken. - Für Euch wäre diese Route zu gefährlich und außerdem bin ich sicher, dass diese Städte niemanden mehr aufnehmen“, fügte er hinzu, um sicherzugehen, die unwillkommene Gesellschaft zu vermeiden.
Die kleine Familie war ihm nicht unsympathisch. Aber mit Städtern im Schlepptau zu reisen, die nicht einmal Erfahrung als Fernhändler oder Ähnliches hatten, gehörte zu den Dingen, die er so weitgehend wie möglich zu vermeiden trachtete.
Zwei Tage später war Barwarin bereits weit entfernt. In die sterbende Stadt zu gehen, hatte wahrlich keinerlei Sinn für ihn. Er wollte auch nichtmehr in eine Kleinstadt. Die Gesellschaft von der kleinen Familie hatte ihm erst einmal für eine ganze Weile gereicht. So beschloss er, stattdessen einen Berg anzusteuern, an dem es viele, vielfältig nützliche Pflanzen zu finden gab. Unterwegs dorthin würde er hauptsächlich Egelgebiete durchqueren müssen. Mit nur fünf verschiedenen Mittelchen zur Abschreckung von Egeln und Stechtieren konnte man dort fast vollkommen unbeschwert wandern. Außerdem war es Egelwald gewesen, in dem er die Pflanzen gesehen hatte, die er hatte nachschlagen wollen. Vielleicht konnte er dort seine Erinnerung auffrischen und sie einfach in sein Journal aufnehmen, um zu vermeiden, dass er sie wieder vergaß. Er war großartiger Stimmung, bis er ein großes, flackerndes Feuer erspähte. Die Waldbewohner in dieser Region sind nicht gerade für ihre Freundlichkeit berühmt. Mal sehen, womit ich es zu tun habe.
Eine vorsichtige Annäherung an die Feuerstelle erbrachte schon von Weitem den Schluss, dass hier keine Waldleute, sondern weitere Städter lagerten. So viel Feuer würde niemand mit einem Hauch von Verstand anfachen.
Er sah genauer hin. Inmitten des erlöschenden Feuerkreises gab es nur einen zusammengebrochenen, sehr behelfsmäßig wirkenden Unterstand, aus dem zwei Beinpaare ragten. Keine Wachen, ein Lager von Volltrotteln errichtet und zwei Paar Beine. Ich könnte wetten, dass da nur noch halb aufgefressene Kadaver dranhängen.
Barwarin schnitt sich mit wenigen geübten Bewegungen mit Hilfe eines seiner Messer einen langen Spieß. Dann schritt er, ohne zu zögern, zu diesem Haufen aus umgefallenen Holzstangen und welkenden Blättern und schob ihn mit dem Spieß zur Seite. Darunter kamen zwei menschliche Körper zum Vorschein. Beide weiblich, wie ihm der zweite Blick verriet. Mist. Beide gerade noch lebendig. Warum muss ich immer Pech haben? Warum nicht gerade tot? Warum nicht gesund? Warum muss ich so weich sein? Ich kann einfach nichts sterben lassen, das zwei Beine hat.
Er sah sich genauer um und erkannte, wie viel Pech er wirklich hatte. Der infernalische Gestank nach Fäkalien, Erbrochenem und faulendem Fleisch gab ihm einen ersten Hinweis. Diese beiden Mädchen mussten geradezu dabei sein, innerlich und äußerlich zu vergammeln. Damit wäre er noch klargekommen. Doch als er beginnen wollte, das mit allerlei Unrat vollkommen zugekleisterte Leder der ruinierten Kleidung wegzuschneiden, durchfuhr es ihn wie ein Schock. Das war gar kein Leder, sondern alles reiner, dicker Stoff! Nur sehr wohlhabende Menschen trugen Stoffkleidung und nur die Allerreichsten unter ihnen kämen auf die Idee, so etwas im Dschungel anzuziehen, wo es beschädigt oder verschmutzt werden konnte. Sein erster Impuls war, diesen verlorenen Bestien aus der Oberschicht einfach die Kehlen durchzuschneiden.
Das konnte er aber nicht. Diese Wesen mochten nur Oberschichtbestien sein, das Schlimmste, was die Städte hervorbrachten, doch sie erinnerten zu sehr an richtige Menschen. Seit der letzten Begegnung mit der städtischen Familie hatte sich sein Hass auf diese abgehobene Schicht keinesfalls verringert. Jetzt musste er sich mit einem ausgiebigen Wutanfall Luft machen. So brüllte er einfach los: „Diese Bestien! Erst zerstören sie ihre eigene Stadt, dann treiben sie sich wie richtige Menschen im Wald herum, bekommen es hin, ihren vielen Sklaven, Aufpassern und Leibdienern verloren zu gehen! Unter all dem Schmutz sind sie so bleich! Die mussten noch nie in der Sonne arbeiten. Das sind Parasiten! Allein sind SOLCHE nicht lebensfähig! Sie haben es geschafft, sich total zu verwurmen. Das zu vermeiden, kannte garantiert sogar der kleine Sohn von diesem Zendir zehn Mittel! Der Stoff, den sie hier unbrauchbar gemacht haben, muss so teuer gewesen sein, dass man
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