Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
grenzt an ein Wunder, dass du überhaupt lange genug überlebt hast, um dir all die Verletzungen zuzuziehen.
Er musste zu einer Entscheidung kommen. Da ist sie wieder, meine verfluchte Weichheit. Ich muss diese lebensunfähige Unperson retten, wenn ich kann. Also bleibt mir nur, sie in eine Großstadt zu bringen. Vielleicht kann sie ein Händler mit dem Schiff wieder in ihre Heimatstadt bringen, um sich eine Belohnung zu verdienen. Dass sie jemand dabehalten will, können wir jedenfalls ausschließen …. Wer wollte so etwas um sich haben? Also eine Hafenstadt am Salzwassermeer. Na, das wird ja herrlich. Mit diesem Klotz von Prinzessin am Bein brauche ich bestimmt zwanzig Tage bis zum nächsten geeigneten Ort.
Er wartete mit dem Aufbruch noch bis nach dem ersten Gewitter. Dann packte er wortlos die Sachen in seinen Rucksack. Barsch und überdeutlich befahl er ihr: „Laufen“, und schubste sie leicht in den Rücken. Da erst begriff die Frau, dass sie sich in Bewegung setzen musste.
Sie konnte wirklich gar nichts, oder war sich zu gut dafür. Statt sich Kleidung aus der Decke zu machen, wickelte sie sich einfach nur darin ein. So würde sie nicht laufen und klettern können! Mit wenigen Handbewegungen riss ihr Barwarin die Lederdecke weg und schnitt mit dem Messer drei schmale Riemen davon ab. Dann kamen zwei größere Stücke dran, auf die er ungeduldig ihre nackten Füße stellte. Rasch machte er an den richtigen Stellen ein paar Löcher und mithilfe der zwei kürzeren Riemen entstanden in kürzester Zeit behelfsmäßige Schuhe. Den größten Teil der Decke versah er nur mit einem Schlitz für den Kopf und schließlich gürtete er sie mit dem längsten der Riemen. Das könnte dir so passen, hier nackt vor mir rumzuspringen, damit ich noch weicher werde! Verdammt gut aussehen, das ist alles, was du und deinesgleichen können. So eine Frau wie du muss es gewesen sein, die meinen Vater geboren und zu dem Monster erzogen hat, das er war.
Barwarins Vater hatte zu eben der Oberschicht gehört, die sein Sohn jetzt verachtete. Doch er hatte sich auf eine Affäre mit Barwarins Unterschicht-Mutter eingelassen und war, nachdem er sich weigerte, diesen Skandal zu vertuschen, aus seiner Adelssippschaft verstoßen worden. Er blieb unfähig unter normalen Menschen für sich zu sorgen. Um mit seiner Frustration fertig zu werden, schlug er Barwarins Mutter und manchmal auch seinen Sohn. Irgendwann ging er zu weit und der kleine Junge Barwarin hatte keine Mutter mehr. Sein Vater hielt es daraufhin für angebracht, in seine alte Familie zurückzukehren, die ihn nun, da er reinen Tisch gemacht hatte, herzlich wieder in Empfang nahm. Der unstandesgemäße Sohn wurde schlechthin in der Gosse zurückgelassen, in die er gehörte. Nein, nichts hatte sich geändert!
Das Gleiche versuchte Barwarin sich noch einzureden, nachdem er weitere vier Tage mit dieser seltsamen Frau unterwegs war. Leider funktionierte dass nicht mehr. Diese ´ Prinzessin ´ wollte nicht richtig in irgendein Schema passen. An ihrer generellen praktischen Unfähigkeit war nichts zu rütteln. Aber obwohl er sich nicht die Mühe machte, zu versuchen ihr etwas beizubringen, probierte sie doch eifrig so viel wie möglich zu begreifen. Dumm war sie auch nicht.
Obwohl er sie weiterhin seine Verachtung spüren ließ, war nicht zu übersehen, dass sie ihm dankbar war, dass er ihr zu überleben half. Gleichzeitig heulte sie immer wieder. Na ja, dass sie bei mir kein Prinzesschen ist, kann sie natürlich nicht verkraften.
Auch dieser Gedanke passte nicht wirklich. Barwarin kam nicht umhin einzusehen, dass diese Frau, wären ihre Verletzungen ausgeheilt, ihm körperlich kaum unterlegen sein konnte. Sie kletterte hervorragend und sie konnte schneller laufen, weiter springen als er und war in der Lage, sich meisterhaft abzurollen. Verweichlicht ist sie nicht. Die Hitze ist das Einzige, was sie nicht recht verträgt. Wenn die Frau in Bewegung ist, dann ist sie, verdammt noch mal, noch viel hübscher. Ich sollte ihr schleunigst mehr Kleidung machen.
Entscheidender war, dass diese Frau nicht den geringsten Hauch von Hochnäsigkeit an sich hatte. Es wurde ihm klar, dass er all die kleinen Anzeichen dafür fehlinterpretiert haben musste. Die junge Frau, das war auf die Dauer klar, bewunderte ihn. Schlimmer noch, die Art und Weise, wie sie immer wieder aufs Neue versuchte es ihm recht zu machen, ihn gnädig zu stimmen, führte ihm die Grausamkeit seines Verhaltens vor
Weitere Kostenlose Bücher