Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Lösung vorher präsentieren! Ansonsten kommt sie nicht damit klar, dass sie die Kontrolle verloren hat, und kann uns nicht mehr anführen. Jetzt oder nie!
Lena holte tief Luft. „Okay Katja, das sind mehrere Probleme und ich weiß bei allen eine vernünftige Lösung, obwohl es natürlich Für und Wider alle möglichen Argumente gäbe. Erst mal werden wir morgen früh nicht aufbrechen! Es wäre zu bedenklich jetzt auf gut Glück weiterzumachen. Die Risiken, dass entweder Ausrüstung Schrott ist oder die Erschöpfung zu groß wird, sind zu gravierend, klar? Außerdem wäre die Moral erst recht im Eimer, wenn wir heute alle bis in die Puppen schuften ließen und den Aufbruch trotzdem verschieben müssten, sei es, weil wir dennoch nicht fertig werden oder weil morgen das Wetter scheiße ist.
Das zweite Problem ist der Moralabbau, wenn morgen zu viel rumgesessen und gegrübelt wird. Die Lösung liegt auf der Hand. Wir schieben, einiges was heute Abend noch möglich gewesen wäre, auf morgen. Außerdem lassen wir einige Arbeiten doch erledigen, die wir heute wegen Zeitmangels aus dem Programm gestrichen haben. Andererseits denken wir uns sinnvolle Beschäftigungstherapie für die übrige Zeit aus. Übungen im Schneeschuhlaufen und gemeinsame Ausrüstungstests sind sicher nicht verkehrt. Wir kriegen den Tag schon voll genug. Zusätzlich würde ich noch ein oder zwei Moralreden vorschlagen. Ich könnte heute Abend eine halten und du morgen früh.
Das dritte Problem bist du! Du musst inhaltlich besser für die Führung vorbereitet werden und außerdem brauchen wir dich in Topform. Also wirst du gleich ins Bett gehen und schlafen! Morgen sollten alle, die irgendwas über Eis, Schnee und Berge wissen, abgestellt werden, es dir zu erklären. Heute Abend dürfen die Anderen dich nicht mehr zu sehen kriegen. So fertig, wie du aussiehst, wärest du nämlich selbst ein Moralkiller. Ich bringe dir deine Schlafsachen hier ins Cockpit.
Zu guter Letzt habe ich noch entschieden, dass ich dich jetzt mal in den Arm nehme.“
Na bitte, wenn ich die Sache richtig eingeschätzt habe, tut ihr das Weinen jetzt gut. So ein Mist, jetzt bin ich auch am Flennen. Na ja, praktische Kleingruppentherapie gegen Psychoüberlastung hat noch nie geschadet. Solange ich Katja gleich ins Bett bringen und so tun kann, als wäre alles bestens, ist es das vielleicht sogar.
„Alle da? Fein! Ich vertrete Katja bis morgen früh. Sie hat mir aufgetragen euch zu sagen, dass sie sehr zufrieden mit den Fortschritten ist. Deswegen werden wir die Arbeiten für heute einstellen. Wir brauchen Zeit, um runterzukommen, bevor wir schlafen können. Also wäre es Unsinn, weiter zu machen, bis es dunkel wird. Die härtesten Arbeiten vor dem Aufbruch sind jetzt schon erledigt und die Ausrüstung ist fast vollständig. Trotzdem: Wir werden morgen ein volles Programm haben, wenn wir übermorgen frühestmöglich bereit sein wollen. Wir wollen keine Risiken eingehen! Frühstück sollte es morgen um neun geben, dann machen wir um zehn die erste gemeinsame Einsatzbesprechung. Jetzt gibt es erst mal fünf Flaschen Champagner. Schließlich müssen wir unsere Fortschritte auch feiern.“
Den letzten Teil hatte Lena improvisiert. Dennoch war sie sicher, dass die richtige Dosierung Alkohol dazu beitragen konnte, im Kopf ihrer Freunde aus einem harten Arbeitstag nach einer lebensgefährlichen Katastrophe, ein großes erfolgreiches Abenteuer zu machen. Nur selbst wollte sie lieber weitgehend auf diese Medizin verzichten, denn sie fürchtete, ihre Fassade könnte zusammenbrechen, wenn sie mehr als ein halbes Glas trank. Sie fiel bald in ihr Bett.
Eine halbe Minute später kam Alf dazu und nahm sie in den Arm, doch sie wachte nicht mal auf. Eigentlich hatte er sie vor dem zu Bett gehen noch kräftig drücken wollen, weil er gespürt hatte, wie sehr sie diese Leitungsarbeit schlauchte, obgleich er sich keine rechte Vorstellung davon machen konnte, wieso. Doch jetzt schlief sie tief und fest.
*
Die Anderen waren müde von harter Arbeit und Alkohol ins Bett gegangen.
Sie hatten sich darauf geeinigt, dass sie ihren Absturzzeitpunkt als neun Uhr morgens einschätzten, da es im Winter viel eher nicht so hell sein konnte. Jetzt war es nach dieser Berechnung nach zehn Uhr abends, jedenfalls, wenn Erik den teuren mechanischen Uhren aus dem Bordshop glauben durfte. Doch die Sonne stand noch hoch am Himmel. Erik konnte nicht einschlafen. Weil ihn die Sonne dauernd blendete, lag
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