Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
verlangen, dass du ihr zeitweilig deine ganze Kraft zur Verfügung stellst. Ein Beispiel wäre, wenn ein Gildenhaus plötzlich heimlich geschlossen werden muss. So etwas ist erst kürzlich in Lianta Xintall geschehen. Du kannst davon ausgehen, dass alle anwesenden Waldläufer verpflichtet wurden, so viel wie möglich von den Gildenschätzen dort in Sicherheit zu bringen. Du musst Geheimnisse der Gilde wahren. Falls tatsächlich einmal eine große Mitgliederversammlung mit mindestens einem Drittel der lebenden Gildenmitglieder zusammenkommt und einen Mehrheitsbeschluss fasst, musst du dich daran halten oder die Gilde verlassen. Es gibt Dinge, die du nicht tun darfst, wie die Gilde um Geld zu betrügen oder im Gildenhaus Feuer legen. Diese Dinge verstehen sich eigentlich von selbst und selbstredend kannst du wegen so was ausgestoßen werden. Theoretisch könnte ich rausgeworfen werden, weil ich CAveedo den Arm gebrochen habe.“
„Und meine Rechte?“
„Allgemein ist es üblich, dass jeder Waldläufer im Gildenhaus freie Kost und Logis genießt, solange sein Journal kopiert wird, zusätzlich in jedem Gildenhaus für das deine Mitgliedschaft gilt noch bis zu drei Tage im Jahr. In kooperierenden Häusern sind es nur noch ein oder zwei Tage. Wenn du krank bist, darfst du länger bleiben und dir werden ein Arzt und ein gewisses Budget für Medizin gestellt. Die Gilde muss aber auch dann versuchen, dich gesund pflegen zu lassen, wenn du die teureren Medikamente nichtmehr bezahlen kannst. In diesem Fall machst du Schulden, die die Gilde von all deinen zukünftigen Einnahmen wieder abziehen darf. Du darfst einmal im Jahr deine Stimme für die Neuaufnahme eines neuen Gildenmitglieds abgeben und niemand wird ohne drei solcher Unterstützer akzeptiert. Es ist übrigens auch streng verboten, Gegenleistungen für deine Stimme zu verlangen. Du darfst Anteile an den Gildengeschäften kaufen und die Gildenmitarbeiter stehen dir zur Verfügung, um dir die Orientierung in der betreffenden Stadt zu erleichtern. Sicher gäbe es noch mehr zu sagen. Ach ja: Natürlich hast du freien Zutritt zur Gildenbibliothek und den kopierten Journalen aller Waldläufer. Dazu kommen noch die Leistungen und Privilegien, die die Gildenhäuser mit ihren Mutterstädten für ihre Mitglieder vereinbaren. Vielerorts kannst du auch in der Stadtbibliothek und den öffentlichen Bädern frei ein und aus gehen und erhältst automatisch ein zeitlich begrenztes Aufenthaltsrecht in der Stadt.“
„Mir ist aufgefallen, dass die Leute dir enorme Hochachtung entgegenbringen. Gibt es unter Waldläufern so etwas wie eine Rangordnung?“
„Nicht in dem Sinne, dass ein Waldläufer über einen Anderen bestimmen dürfte, nein. Die meisten Gilden haben eine Vielzahl von kleinen Privilegien und Bonusleistungen zu vergeben. Dieses System ist komplex. Allgemein kann man sich durch Aufträge für die Gilde selbst, durch besonders wertvolle Informationen in den Journalen oder einfach durch lange Gildenmitgliedschaft einige Vorteile verschaffen. Wenn jemand pro forma Gildenmitglied ist, aber in Wirklichkeit in der Stadt hockt oder einen eigenständigen Großhandel aufzieht, kann die Gilde darauf ein wenig reagieren. Das sind aber, wie gesagt, alles keine großen Sachen. Sagen wir mal, wenn zum Beispiel unser Freund CAveedo hier viel für seine örtliche Gilde getan hat, wird er vielleicht einen Anspruch darauf erwerben, sein bevorzugtes Zimmer nutzen zu können, oder er wird bei einer Auftragsvermittlung bevorzugt. Das hat wenig mit der Reputation insgesamt zu tun. Wenn ich Profit daraus schlagen wollte, dass mir alle damit auf die Nerven fallen, mich wegen meiner Fähigkeiten zu verehren, täte ich besser daran, in die Stadt zu gehen. Dort gibt es genug seltsame Leute, die nichts Besseres zu tun haben, als zu erzählen, dass sie DEM H´Barwarin eine Mahlzeit ausgegeben haben. Unter den jungen und älteren Frauen sind mehr als genug, die allein schon deswegen gerne mit mir ins Bett gingen, um ihren Freunden davon erzählen zu können. Als meine Gefährtin wirst du von Anfang an zu den Berühmtheiten zählen. Also sieh dich vor, worauf du dich mit mir einlässt“, mahnte Barwarin und klang nicht halb so scherzhaft, wie Verena es sich gewünscht hätte.
CAveedo schlug vor, er könne schauen, ob es in der Küche inzwischen eine warme Mahlzeit zu finden gäbe. Die übrigen Waldläufer erklärten, das sei eine vortreffliche Idee und gingen mit ihm hinaus, um zu helfen. Bald
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