Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
den Rest Verenas Fantasie erledigen.
Sie dachte eine Weile still nach, bevor sie wieder zu sprechen wagte. Ganz gelang es ihr nicht, ein Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen: „Ich könnte verstehen, wenn du mich verlässt, wenn ich dir doch noch einmal so etwas antue, ich ….“
„Nein!“, unterbrach sie Barwarin. „Jetzt verstehst du mich vollkommen falsch. Ich werde dich verlassen, wenn du nicht zurücknimmst, was du eben gesagt hast.“
„Aber … bist du nicht sauer, weil ich das getan habe? Fandest du das etwa in Ordnung, wie ich eben mit dir gesprochen habe? Hattest du keine Angst um mich?“, fragte Verena verdattert.
„Verena, meine Liebste, du stellst die falschen Fragen. Vielleicht kann ich sie so beantworten, dass du begreifst wie die richtigen Fragen hätten lauten müssen. Mal sehen: … Fand ich es in Ordnung, wie du mit mir gesprochen hast? Nein. Du warst garstig und es ist gut und richtig, dass du dich deswegen zu entschuldigen trachtest. Meine Vergebung dafür bekommst du. Ich bestehe aber trotzdem darauf, dass du es wieder tust. Aus zwei Gründen: Erstens will ich noch lange, lange mit dir zusammen sein. In dieser Zeit werden du und ich sicher wieder unsere Fehler machen. Außerdem weiß ich, warum du so reagiert hast. Die Frau, die ich liebe verteidigt ihre Ehre oder das was sie dafür hält. Ich könnte verschmerzen, wenn du mich nicht ankeiftest, aber niemals, wenn du in meiner Gegenwart zu so einem Mensch würdest, der du einmal warst. Ich würde das nicht ertragen, weil ich mich mitschuldig daran fühlte.
Eine andere deiner Fragen war, ob ich Angst um dich hatte. Die Antwort ist: Ja, jeden Tag seit wir zueinandergefunden haben. Der Dschungel holt irgendwann fast jeden Waldläufer. Du und ich werden keine Ausnahme sein. Jeden Morgen, an dem ich dein Gesicht sehe, frage ich mich, ob es der Letzte sein wird.
Das führt mich zu deiner ersten Frage: Bin ich sauer, wegen dem was du getan hast? Wie könnte ich deswegen Einwände haben? Wenn ich wollte, dass wir beide in Sicherheit lebten, könnte ich uns jederzeit eine große Villa in schöner Lage hinter vielen Stadtmauern kaufen, wo uns keine Gefahr zu erreichen im Stande wäre. Wir würden dort beide sehr alt werden. Was wir hier und heute als Waldläufer machen hat niemals etwas damit zu tun, was wir zum Überleben oder für Wohlstand benötigen. Solche Erwägungen haben eine Rolle für mich gespielt, als ich erstmals aus der Stadt geflohen bin. Nein, jetzt ist es einfach nur das, was wir sind, das was uns ausmacht. Wenn bei dir auch dazugehört, dass du gelegentlich einer Schlange auf den Kopf hauen musst, die eigentlich viel zu groß dafür ist, fällt das in die gleiche Kategorie.“
Das Dorf ähnelte dem Dschungeldorf sehr, das Verena vor über einem Jahr gemeinsam mit Mira beobachtet hatte. Sie fand es faszinierend, aus der Nähe zu sehen, wie sich das ganze Leben von über zweihundert Menschen in den höchsten Baumwipfeln abspielte. Verena verstand nichts von der Sprache und auch Barwarin konnte nicht immer alles übersetzen. Dennoch stellte sie bald fest, dass ihr diese Leute mit ihrem einfachen Leben im Grunde genommen ähnlich waren. Mehr noch, sie mochte die K´Calumara. Das abendliche Geschichtenerzählen hatte sie insgeheim gefürchtet, weil sie dachte, sie müsse sich am Ende noch an irgendwelche Grimms-Märchen erinnern. Doch von ihr wollte sowieso jeder nur hören, wie sie die Silberschlange mit der Hand erschlagen hatte. Es stellte sich auch heraus, dass es in dem Stamm eine ganz eigene Kampfsporttechnik gab, die am ehesten mit dem Judo verwandt war. Allerdings befassten nur wenige sich mit dieser Kunst. Letztlich blieben Verena und Barwarin drei Tage lang in dem Dorf, da Verena nicht umhinkonnte, mit den drei Dorfchampions wenigstens so lange ihre Fähigkeiten auszutauschen.
Am Abend nach dem Schlangenfang aber gab es ein großes Fest in dem Dorf. Der eigentliche Anlass waren nicht die Gäste, sondern die Geburt des zweihundertsten Dorfmitglieds in der vergangenen Nacht.
Kleinkinder bekam Verena dennoch kaum zu sehen. Die Feier begann wild und ausgelassen. Es wurden aus voller Kehle Gesänge angestimmt, die vermutlich selbst in der Sprache der K´Calumara wenig Sinn ergaben und Tänze auf dem Netz veranstaltet, das den Dorfplatz bildete. Sie konnten nur als irres Herumgehopse inklusive Schwüngen und Klimmzügen am oberen Schutznetz bezeichnet werden. Mit Takt und Melodie hatten sie, wie die ´Lieder´
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