Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Bibliothek, wo sie sich über den besten und schnellsten Weg nach Hause klar zu werden versuchte und viel zu selten in Caaiulats Armen (und noch seltener beim Training).
Die Route stand eigentlich schon bald fest: Sie wollte nicht versuchten, in den gemäßigten Breiten zu bleiben. Stattdessen sollte es schnurstracks nach Norden gehen. So würde sie in nahezu gerader Linie den Nordpol überqueren und dann weiter nach Süden auf H´Cuudim zu marschieren. Dieser Weg war nicht nur verhältnismäßig kurz, sondern hatte noch weitere Vorteile: Zunächst einmal gab es relativ wenige große Hindernisse. Die großen Gebirgsketten H´Veredys waren in Nord-Süd Richtung ausgerichtet, erreichten aber den Pol nicht. Die beiden Ozeane würde sie dadurch auch umgehen. Der größte Geschwindigkeitsgewinn ergäbe sich durch die geringere Hitze in den Regionen, die sie bereisen wollte. Auch an den Polen dieser Welt wurde es zwar selten wirklich kalt (obgleich es in extrem harten Wintern vorkam, dass dort auch auf Meereshöhe etwas Schnee fiel), doch immerhin kühl genug, um ein für Waldläuferverhältnisse rasantes Tempo einzuschlagen.
Schließlich brach sie an einem Abend im Spätherbst mit viel zu schwerem Gepäck auf ihre Rückreise auf. Ihre letzten Gelder hatte sie für Karten und Bücher über die Nordpolarregion ausgegeben. Da sie nicht alles auf einmal lesen konnte, war sie gezwungen, eine ungewöhnlich große Last mitzuschleppen. Natürlich hatte sie auch einen langen Brief Rakukuks an seine Urenkelin bei sich und hatte ein konzentriertes alchemistisches Mittel gekauft, das reichen würde, in den nächsten Tagen genügend Trinkwasser zu entgiften.
Sie küsste Caaiulat lange und leidenschaftlich, da ihr bewusst war, dass dies ihr letzter Kuss sein würde. Dann wandte sie sich um und schritt ungewöhnlich schnell aus. Sie weinte, doch sie sah kein einziges Mal zurück. Das hätte zu sehr geschmerzt.
Anfangs war sie noch weit vom Pol entfernt und hatte schwer mit dem Klima zu kämpfen. Natürlich hatte sie in ihrer Zeit am Äquator viel heißere Tage erlebt, doch dort konnte sie das kompensieren, indem sie sich fast gar nicht oder nur sehr langsam bewegte. Jetzt nahm sie sich nicht die Zeit, sich zu schonen. Unzählige Male wurde sie beinahe von irgendetwas gefressen, tödlich vergiftet oder erschlagen. Immer wieder kam sie dem Hitzetod nahe und wenn das Gelände zu schwierig war, geriet sie auch schon einmal in Gefahr, abzustürzen.
Tauchten auf ihrem Weg irgendwelche Siedlungen auf, kehrte sie fast immer dort ein, fragte nach Neuigkeiten aus der Gegend von H´Cuudim, - die es zunächst nicht gab, verkaufte eilig, was auch immer sie gerade an wertvollen Dingen gesammelt hatte und verschwand wieder, meist mit neuen, anderen Büchern und niemals ohne sich ordentlich satt zu essen. Denn unterwegs magerte sie zunehmend ab. In der Region des Süßwassermeeres musste sie vorsichtig sein, was sie zu sich nahm. In Polnähe kam hinzu, dass die Vegetation und die als Nahrung geeigneten Tiere ohnehin weniger wurden. Bei ihrem üblichen, bedächtigeren Tempo wäre das kein Problem gewesen, doch Verena hatte es ja eilig.
Auf dem Hinweg war sie ohnehin zügig unterwegs gewesen. Sie hatte für die Strecke von etwa fünfzehntausend Kilometern gerade zwei Jahre gebraucht. Jetzt nahm sie sich vor, es zurück in der halben Zeit zu schaffen. Zehntausend Kilometer Landweg, dann die schnellste Schiffspassage, die man von der Nordspitze des Salzwassermeeres nach H´Cuudim buchen konnte. Das war der Plan.
Als Leistungssportlerin lag es in ihrer Natur, aus dem Vorhaben eine fanatisch anmutende Jagd zu machen. Mit Laufen allein war das vorgesehene Tempo allerdings nicht zu bewältigen. Um Strecken zu schaffen, die normalerweise nicht möglich gewesen wären, machte sie sich vor allem die häufigen kleinen aber reißenden Flüsse auf ihrem Weg zunutze. Ein paar lange Stecken, eine Dichte Lederhaut und schon hatte sie in kürzester Zeit ein einfaches Kajak improvisiert. An ihrem besten Tag schaffte sie auf diese Weise ganze 500 Kilometer durch tosendes Wildwasser. Allerdings stand ihr dieses Transportmittel erst zur Verfügung, nachdem sie den Nordpol lange überschritten hatte. Doch gerade die Polarregion war es, die ihrer Sehnsucht nach Vertrautem noch gehörig Anschub gab. Wie sich herausstellte, gab es dort zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die sie genau in dieser Form aus Deutschland kannte. Auch Klima und Landschaft waren ihrer
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