Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
schließlich in Erfahrung bringen: Der Kapitän war nicht nur ganz allgemein nicht mehr ganz dicht und dazu ein in seinem Wagemut rücksichtslos zu nennender Mann. Er hatte auch noch zwei gute Gründe, sich so zu verhalten. Das Wichtigste in seiner Welt waren nämlich sein Sohn und seine Tochter, die daheim in H´Cuudim auf ihn warteten. Die Beiden verehrten ihren Heldenpapa sehr. Noch mehr vergötterten sie aber H´Verena die Waldläuferin. Wenn es Serak gelingen würde, nicht nur in Rekordzeit den Nachhauseweg zu schaffen, sondern damit auch noch DER H´Verena zum Erfolg ihrer neuesten Großtat zu verhelfen, würde ihm das bei den Kindern unsterblichen Ruhm einbringen, so seine Kalkulation. Um das zu erreichen habe er sogar darauf verzichtet neue Fracht aufzunehmen und sei sehenden Auges in einen schweren Sturm gesegelt, erklärte er Verena.
Mag sein, dass das soweit stimmt. Aber abgesehen davon wird dir das Ganze, wenn es denn gelingt, auch noch bei Anderen zu einer gehörigen Reputation verhelfen. Deine Handelsgeschäfte werden auf lange Zeit gesichert sein.
Verena sprach diesen Gedanken nicht laut aus. Einerseits befürchtete sie, sich übergeben zu müssen, wenn sie allzu oft Mund oder Augen öffnete, andererseits wollte sie den Kapitän nicht beleidigen. Immerhin verlangte er für seine Dienste nicht mehr, als dass Verena am Ende der Reise seinem Nachwuchs ´guten Tag´ sagte und vielleicht, wenn es denn nicht zu viele Umstände machte, zum Essen blieb. Das versprach sie gerne.
Einem anderen Anliegen des Kapitäns weigerte sie sich umso strikter nachzukommen. Sie würde bei diesem Wetter um keinen Preis das Oberdeck wieder betreten. Das gefiel dem Kapitän nun so wenig, dass er tatsächlich mit drei Matrosen zusammen versuchte, sie gewaltsam hinauszubefördern. Doch irgendwann musste er einsehen, dass es besser war, seinen Gast noch etwas gewähren zu lassen, dafür aber nicht wieder und wieder durch den Raum geschleudert zu werden und schmerzhafte Blessuren abzubekommen. Er verließ mit verdrießlichem Brummen den Raum, um sich um sein stark beanspruchtes Schiff zu kümmern.
Langsam beruhigte sich der Ozean weiter. Verena wagte es, die Augen zu öffnen und sich mental darauf vorzubereiten, durch die Türe zu treten und ins Unterdeck zurückzukehren. Wo ich einmal hier bin, kann ich mir wenigstens vorher noch kurz dieses Luxusgemach genauer anschauen, das sich der Kapitän eingerichtet hat.
Tatsächlich musste der Mann ungeheuer reich sein. Hier bestand alles aus edelsten Hölzern mit vielen eingelegten Edelsteinen. Sieben Bullaugen aus einem Glas, das so klar war, wie Verena es in dieser Welt noch nicht gesehen hatte, ließen viel Licht einfallen. In einige der Wände waren große Platten aus Messing eingelassen in die kunstvoll Seekarten eingraviert worden waren. Eine dieser Platten war erst kürzlich durch eine neue, blanke ersetzt worden. In deren Mitte hing ein gerahmtes Gemälde, das einen steinernen Torbogen zeigte, der den Blick auf eine wilde, sturmumtoste Meeresküste freigab. Ein gerahmtes Gemälde hatte Verena zuletzt auf der Erde gesehen. Dieses hier war sicherlich sehr teuer gewesen. Es hinterließ einen unbeschreiblichen Eindruck von der überwältigenden Macht des Ozeans. Doch noch irgendetwas anderes fesselte Verenas Aufmerksamkeit und ließ sie genauer hinschauen. Die dargestellten Innenwände waren durch feinste Ornamentik mit Bildern von Kriegern und Schlachten geschmückt, doch waren es nicht die Motive, die Verena in ihren Bann zogen.
Die Ornamente bestanden vollständig aus winzigen verschnörkelten Schriftzeichen. Die verwendete Sprache war Deutsch. Die Texte erzählten von einem Leben in Sklaverei in der verhassten Stadt Lianta Xintall, von der Schlechtigkeit der Herren und Damen Xirien und vor allem von Hass auf den verderbten, verräterischen, heuchlerischen Offizier Bernd und der immerwährenden Verzweiflung nicht fortlaufen zu können.
Mira lebt!
Obwohl sie in den kommenden Tagen nichts anderes als stürmische Bedingungen vorfanden, konnte Verena sich auf dieser Reise letztlich doch etwas erholen. Nachdem sie sich an den Gedanken gewöhnt hatte, nun wirklich keinen Einfluss auf das zu haben, was hier geschah und es nichts zu tun gab, bei dem sie nicht im Weg gewesen wäre, fügte sie sich darein, tagein - tagaus in ihrer Hängematte zu liegen und untätig zu sein. Bei dem Geschaukel war nicht einmal daran zu denken, die Lücken, die sie auf ihrer überhasteten
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