Der Mond ist nicht allein (H´Veredy Chroniken) (German Edition)
Haustier liebevoll aus der Hand mit den Abfällen und ließ sich ausgiebig mit den Fühlern betasten. Schließlich forderte sie Konstantin und Cenimnir noch auf, dem Tier rhythmisch auf das Gehäuse zu klopfen, „weil sie das sehr liebt.“
Zu guter Letzt übergoss sie den Panzer mit frischem, kühlendem Wasser und füllte eine große Trinkschale nach. Cenimnir fand wohl nichts Besonderes an einer Riesenschnecke als Haustier, auch wenn er Konstantin später erklärte, er hielte es für klüger, mit den Pflanzenabfällen viele kleine Speiseschnecken zu füttern. Konstantin dagegen staunte nicht schlecht. Cameía, so viel war offensichtlich, war den Umgang mit Venigara gewöhnt, und schien eine Beziehung zu ihrem ´Frauchen´ aufgebaut zu haben. Hätte man Konstantin zuvor gefragt, er hätte erklärt, zu so etwas sei eine Schnecke gewiss nicht fähig. Riesenschnecken neigten aber entgegen dieser Annahme zu einem gewissen Maß an tierischer Intelligenz und Empfindungsfähigkeit. Exemplare von Cameías Art konnten sehr, sehr alt werden.
Nachher saßen sie noch so lange sie bleiben konnten in der gemütlichen Gartenlaube beisammen und schwatzten unbefangen über alles Mögliche.
Ein See von Venigaras Öffentlichem Grundstück hatte einen Ausläufer bis unter einen großzügigen Toilettentrakt. Ein weiterer Ausläufer des gleichen Sees, der vom Latrinenteil durch eine lange Landzunge getrennt war und daher nicht verunreinigt wurde, speiste die daran angeschlossenen Bäder. Da Venigara ihnen zum Abschied leihweise Wechselkleidung aus den Beständen ihrer Familie mitgab, damit sie gepflegt zum Empfang erscheinen konnten, bekam Konstantin noch Gelegenheit, dieses Bad genauer kennen und schätzen zu lernen. Es war ebenso reich wie der Begrüßungspavillon mit Mosaiken geschmückt. Bei einem separaten Kinderbad waren allerlei Wasserwesen und Pflanzen als Motiv gewählt worden. Im benachbarten Erwachsenenbad tummelten sich in den Wandbildern zusätzlich unbekleidete Menschen. Die Darstellungen als erotisch zu bezeichnen, wäre Untertreibung gewesen. Wer ein solches Bad besitzt, braucht keine weitere Sexualaufklärung, dachte Konstantin, als er sich wusch. Besonders angetan hatte es ihm eine Szene, die ihn an sein Traumerlebnis mit der unbekannten Dame aus der Bibliothek erinnerte.
Trotz der enormen Hitze und der wenig anspruchsvollen Kost wusste Konstantin, bei ihrem Aufbruch, dass er in Zukunft häufiger den Weg in die Unterstadt nehmen würde, um Venigara zu besuchen. Anders als sein zunehmend enger Freund Cenimnir, der immer etwas mehr Distanz wahrte, war sie erfrischend anspruchslos. Ihre Herzlichkeit und Freundlichkeit waren Konstantin schon zuvor angenehm aufgefallen. Nun, da er sie außerhalb des Kreises ihrer eigentlichen Arbeitskollegen kennenlernte, kamen diese Eigenschaften umso mehr zur Geltung. Außerdem konnte es einem in Venigaras Gegenwart niemals langweilig werden und auch das hob sie von einigen anderen Druckern ab.
Obwohl Konstantin der Abschied an diesem Vorabend unerwartet schwerfiel, war er doch aufgeregt in Erwartung, bald seine Neugierde bezüglich Selljins ´Residenz´ befriedigen zu können.
Nachdem sie das Neustadttor durchschritten hatten, fand sich Konstantin in einem sehr ausgedehnten, runden Talkessel wieder. Dieser Teil der Stadt unterschied sich grundlegend von allen anderen. Zur Zeit der Stadtgründung war er, Cenimnirs Erklärungen nach, eine leblose Felswüste gewesen, da über diesem Tal so gut wie niemals Regen fallen konnte. Doch irgendwann schlug man auf dem Hochplateau einen Stichkanal von dem Fluss, der die anderen beiden Täler versorgte, hier herüber und von da an wurde das Tal über die Neustadtfälle mit frischem Nass gesegnet, dass in künstlichen Seen und Kanälen restlos zur Versorgung des neuen Viertels verbraucht wurde und heute noch wird. Fast die Hälfte der neu gewonnenen Fläche wurde für den Neustadtpark, einen gigantischen botanischen Garten, reserviert. Der Rest bot den wohlhabendsten Familien der Stadt zu jener Zeit die Möglichkeit, sich verhältnismäßig große Grundstücke in bester Lage abzustecken. Das Tal konnte, nachdem die Neustadtmauer fertiggestellt war, wie kein anderes Gebiet von gefährlichen Tieren und Pflanzen befreit und frei gehalten werden. Da es keine natürliche Vegetation gab, wurde alles, was hier heute wuchs, sorgfältig von den Bewohnern ausgewählt. Weil auch hier zu jedem Privatgrundstück gleich große öffentliche
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