Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
Vom Netzwerk:
machen. Sie nahm ihre Schüssel und den Orangensaft und ging ins Wohnzimmer hinüber.
    »Hey, hast du dieses Geräusch letzte Nacht auch gehört?«, fragte sie Vorm. »Dieses langgezogene Heulen?«
    »Oh, das ist nur Fenris. Der Wolf, der jagt, der Herold von Ragnarök, der gefräßige kleine Gott …«
    »Das hab ich gestern Nacht auch mitbekommen. Aber müsste er nicht Managarm heißen?«
    »Was?«
    Sie nahm einen Schluck Saft direkt aus dem Karton, weil sie keine Lust hatte, sich ein Glas zu wünschen. »In der nordischen Mythologie ist Fenris der riesige Wolf, der Tyr die Hand abbeißt und am Ende der Zeit Odin töten wird. Managarm dagegen ist der Wolf, der den Mond verfolgt und zu Ragnarök den Mond am Stück verschluckt.«
    Vorm ließ sein Buch sinken. »Woher zum Geier weißt du das?«
    Sie zuckte die Achseln. »Internet.«
    »Du hast also irgendwann mal einfach so düstere mythologische Querverweise recherchiert, weil du dachtest, es könnte eines Tages nützlich sein?«
    »Ich weiß nicht. Musste wohl Zeit totschlagen.«
    »Ich bin nur erschüttert, dass du dich an den Namen erinnerst.«
    Sie lächelte. Es gefiel ihr, ein kosmisches Ungeheuer zu erschüttern, wenn auch nur ein bisschen.
    »Fenris ist leichter auszusprechen als Mana – Muna – Maga – …«
    »Managarm«, sagte sie.
    »Ja, das.«
    »Kennst du ihn?«, fragte sie.
    »Fenris? O nein. Kann nicht sagen, dass wir uns mal kennengelernt hätten. Er ist ein übergeordnetes Grauen, während ich nur eine geringere Verkörperung bin. Wir bewegen uns nicht in denselben Kreisen. Und falls wir uns je begegnen, würde er mich wahrscheinlich nur fressen, weil er so weit über mir steht wie ich über …«
    Vorm beendete seinen Satz nicht, und sie ignorierte die potenzielle Beleidigung.
    »Ihr Jungs habt Cliquen?«
    »In gewisser Weise schon. Es ist wie an der Highschool, nur dass es nicht um Sportskanonen gegen Nerds geht, sondern um Dinge, die Zivilisationen fressen, gegen Dinge, die Galaxien fressen. Ich könnte das Universum verschlingen, wenn du mir ein paar Milliarden Jahre Zeit gibst, aber Fenris könnte das schon in ein paar Jahren, höchstens einem Jahrzehnt, wenn er will.« Er zerknüllte eine weitere Seite, warf die Papierkugel in die Luft und fing sie mit seinem Bauchmund wieder auf. »Ich bin ein großer Fan von ihm.«
    »Und warum verschwendet er seine Zeit dann mit der Jagd nach einem unbedeutenden Mond? Ich dachte, er wollte unserer Realität entkommen.«
    »Vielleicht hat der Mond etwas damit zu tun. Ich weiß es nicht. Das müsstest du ihn selbst fragen. Es ist wahrscheinlich so ähnlich, wie ... wie ich gern in deiner Nähe bin. Irgendwas daran zieht ihn an, etwas, das er braucht. Alle wissen nur, dass er den Mond der Erde schon seit ... ach, ungefähr fünf Milliarden Jahren oder so jagt ... mehr oder weniger.«
    »Abgefahren.«
    »Jedem das Seine«, sagte Vorm.
    Sie stellte ihre Schüssel neben die Spüle. »Mist, ich komme zu spät zur Arbeit.«
    »Ich dachte, das Feuer hätte deinen Job ruiniert.«
    »Nein, das habe ich wieder in Ordnung gebracht.«
    »Wie?«
    »Auf dieselbe Art, wie ich das Feuer gelegt habe«, sagte sie. »Magie.«
    Vorm setzte sich auf. »Na, das nenne ich mal eine Blitzmerkerin.«
    Sie lächelte. »Ich weiß nicht, ob es schon richtig funktioniert hat. Ich weiß nur, dass ich mich gestern Abend echt schwer darauf konzentriert habe, meinen ersten Zauber wieder rückgängig zu machen.« Sie runzelte die Stirn. »Das klingt nicht richtig. Sagt man Zauber dazu?«
    »Du kannst es nennen, wie du willst.«
    »Zauber lässt es nur so ... gewöhnlich klingen«, sagte sie. »So New-Age-mäßig. Wie etwas, das Hippies machen.« Sie stellte sich vor, wie sie in dunklen Wäldern tanzte und die Muttergöttin verehrte, gekleidet in etwas mit langen Ärmeln mit Bändern daran. Sie hatte nichts dagegen. Es kam ihr spaßiger vor als die Kirche.
    Es fühlte sich nicht richtig an, weil nichts Mystisches an ihren neu gewonnenen Kräften war. Keine Rituale, keine Beschwörungen oder Gebete, keine heiligen Bücher. Keine Gebote oder Regeln der dreifachen Wiederkehr, die sie geleitet hätten. Sie war hier auf sich gestellt mit dem bisschen Hilfe, das Vorm ihr bieten konnte. Und das war nicht viel, denn im Grunde war er genauso verloren wie sie.
    Sie wusste nur, sie konnte machen, dass Dinge geschahen, indem sie die Realität überarbeitete, und wenn sie aus Versehen ein Feuer legen konnte, indem sie es ins Leben

Weitere Kostenlose Bücher