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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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Kasse. Die Kundin packte ihn am Handgelenk.
    »Das ist mein Mantel!« In ihrer Stimme lag eine gewisse Schärfe.
    »Haben Sie diesen Mantel gekauft?«, fragte er.
    »Noch nicht.«
    »Dann ist es nicht Ihrer«, erwiderte er. »Ich werde diesen Mantel kaufen, denn Sie haben diesen Mantel noch nicht gekauft.«
    »Hey, ich bin als Nächstes dran, einen Mantel zu kaufen«, sagte die alte Frau. »Sie können nicht vor mir einen Mantel kaufen.«
    »Nein, ich werde auch alle Ihre Mäntel kaufen«, sagte Wendall. »Man kann nie genug Mäntel haben.«
    Ein neuer Kunde, der mehr Jacketts trug, als er eigentlich konnte und Mühe hatte, sie alle zu halten, drängelte sich vor. »Das sind meine Mäntel. Sie können sie nicht haben.«
    Diana seufzte. Es wurde schon wieder chaotisch. Sie versuchte, die Lage unter Kontrolle zu bringen. »Könnten Sie bitte alle damit aufhören, das Wort Mantel so oft zu sagen?«
    Ausnahmslos alle schwiegen.
    »Aber Mäntel sind wichtig«, intonierten sie dann wie aus einem kultischen Mund.
    Nachdem diese Gemeinsamkeit geklärt war, plapperten sie weiter darüber, wer am dringendsten einen Mantel brauchte und wer den Löwenanteil der heiligen Kleidungsstücke verdiente.
    Diana senkte den Kopf und murmelte dem Universum zu: »Das wollte ich damit nicht sagen!«
    Nur einen Augenblick später wimmelte es in der Mantelabteilung von Kunden, die sich um ihre Einkäufe stritten. Ein junger Mann mit ungekämmten Haaren versuchte, einer zerbrechlichen mittelalten Frau ein Kleidungsstück zu entreißen. Kreischend schlug sie nach ihm.
    Chaos herrschte, während die Mantel-Manie die Menge gegeneinander aufstachelte. Ein Dutzend einzelne Handgemenge brachen aus. Eine Gruppe Kinder rang mit einem lederbekleideten Biker. Ein Blinder schlug einen bulligen Nerd mit seinem Stock. Und ein schleimiges Tentakelmonster kämpfte mit einem entenartigen Neandertaler um eine blaue Kapuzenjacke. Die Kämpfenden wurden von ihrer Weigerung behindert, ihre wertvollen Kleidungsstücke aus der Hand zu legen, deshalb konnten sie einander nicht viel Schaden zufügen. Aber allmählich geriet die Sache außer Kontrolle.
    Diana konzentrierte sich.
    »Hört auf!«
    Der Mob zögerte. Ein paar Leute machten halbherzig weiter. Der gefiederte Neandertaler riss die Kapuzenjacke an sich. Das Tentakelmonster knurrte.
    »Ich sagte: aufhören!« Diana spürte die Verschiebung der Realität. »Geht alle ... einfach nach Hause.«
    »Nach Hause gehen«, skandierten sie unisono, drehten sich um und schlurften davon.
    »Nein, nein. Halt!«
    Sie blieben stehen.
    »Eine Sekunde. Ich muss das erst zu Ende denken.«
    Sie lehnte sich an die Kasse und dachte nach. Diese magischen Kräfte waren wie leichtfertige Wünsche, die immer wahr wurden. Darum durfte sie sie nicht einfach so achtlos äußern.
    »Okay, ich hab’s«, sagte sie. »Ich möchte, dass ihr alle eure Mäntel weglegt und einfach mit eurem Leben so weitermacht, als wäre all das nie passiert. Oh, und es ist okay, Mäntel zu mögen, aber mögt sie einfach nicht zu sehr. Ich meine, ich will damit sagen: Mäntel sind schon nett, aber man muss keinen dafür umbringen.«
    »Mäntel sind nett«, stimmte ihr Kult unisono zu, »aber töte nicht für sie.«
    »Ach, und hört bitte damit auf. Das macht mir langsam Angst. Und jetzt geht endlich. Raus hier.« Sie nahm den sanften Tonfall an, den man bei streunenden Katzen anwandte: »Husch, husch!«
    Die kurzlebige Kirche der Geheiligten Windjacke löste sich stillschweigend auf. Diana verbrachte die nächste halbe Stunde damit, die Mäntel wieder aufzuhängen und zu stapeln. Ihre Abteilung blieb bis zur Mittagspause leer. Sie holte sich ein Stück aufgewärmte Pizza im Food Court und setzte sich zu Vorm und Smorgaz an den Tisch.
    »Ich kapier’s einfach nicht«, sagte sie. »Es muss doch einen Weg geben, das abzustellen.«
    »Warum willst du es denn abstellen?«, fragte Vorm. »Die meisten Leute sind eben unfreiwillige Opfer der Realität.«
    »Und jetzt bin ich die Täterin.«
    »Das klingt aber ein bisschen melodramatisch.«
    Sie schlürfte die Limo und knabberte an ihrer Pizza.
    »Es ist einfach nicht richtig. Die Leute sollten nicht solche Macht haben.«
    »Sagt wer?«
    »Sagt jeder.«
    Vorm schüttelte den Kopf. »Jeder ist Idioten.«
    »Jeder sind Idioten«, korrigierte Smorgaz. Er schürzte die Lippen. »Jeder bin Idioten?«
    »Egal, ob du dazu bestimmt warst, so eine Macht zu haben – jetzt hast du sie jedenfalls«, sagte Vorm. »Und du wirst

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