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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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klammerte sich an sie. Aber es war mehr als das. Er klammerte sich an etwas Lebenswichtiges in sich selbst. Etwas nicht Greifbares, das ihm durch die Finger glitt.
    Vielleicht war er nicht verrückt, aber mit Sicherheit war er in schlechter Verfassung. Sie verstand ihn besser, als sie zugeben wollte. Sie lebte erst seit ein paar Wochen hier, und sie spürte es schon. Den Druck, der sich in einem aufbaute und raus wollte. Der menschliche Verstand war nicht dafür gemacht zu wissen, was das Gebäude enthüllte. Geheimnisse und Wahrheiten, die die stabilste Seele verunsichern konnten. Wie ein tropfender Wasserhahn, der einen Eimer füllte. Es mochte vielleicht lange dauern, aber irgendwann musste dieser Eimer geleert werden – auf die eine oder andere Art.
    Sie legte ihm eine Hand an die Wange. Er wich ihr aus, vergrub das Gesicht im Sofa und bebte, als wenn er lachte oder weinte. Sie hätte ihn gern in den Arm genommen, ihm gesagt, dass alles gut werden würde.
    Doch die Worte wären bedeutungslos gewesen. Er hätte ihr nicht geglaubt. Es gab keinen Grund, warum er das tun sollte, wenn sie sich nicht einmal selbst glaubte.
    Statt ihre Zeit mit leeren Plattitüden zu verschwenden, schlüpfte sie aus der Wohnung und versuchte, an Apartment eins zu klopfen. Aber West machte nicht auf.
    »Verdammt.«
    Die Tür von Apartment drei öffnete sich. Stacey und das Peter-Wesen kamen heraus.
    »Gibt es ein Problem, Frau Nachbarin?«, fragte Stacey.
    »Es ist Chuck. Ich glaube, er schnappt über.«
    »O, das ist schade«, sagte Stacey mit übertriebenen Sorgenfalten im Gesicht, die bei jedem anderen lächerlich gewirkt hätten. »Er war so ein netter junger Mann.«
    »Chuck gut«, stimmte Peter zu.
    »Wir müssen ihm helfen.«
    »Oh, er wird schon irgendwann wieder. Das ist jedes Mal so.«
    »Also ist das schon mal passiert?«, fragte Diana.
    »Der liebe Junge ist einfach nicht für das hier gemacht.«
    »Aber er wird wieder, oder?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Was meinst du mit ›wahrscheinlich‹?«
    Weder Stacey noch das Peter-Wesen konnten ihr in die Augen sehen.
    »Was meint ihr damit?«
    »Hättest du Lust auf ein Stück Kuchen?« Stacey lächelte auf ihre großäugige Art. Es sollte beruhigend wirken, aber Diana fand es herablassend.
    »Lass den Scheiß, Stacey!«
    Stacey seufzte. Ihr Lächeln verblasste zu einem lediglich fröhlichen Lächeln – nüchterner wurde es bei ihr nie. »Ich weiß, du magst ihn, Diana, aber ich würde mich nicht zu eng an ihn binden. Peter und ich, wir haben viele Seelen durch diese Hallen gehen sehen, und nach einer Weile bekommt man ein Gefühl für diese Dinge.«
    »Armer Chuck.« Das Peter-Wesen senkte den Kopf und knirschte mit den Zähnen. »Armer, armer Chuck.«
    »Man braucht ein gewisses Talent, um eine beliebige Zeit damit leben zu können«, sagte Stacey. »Eine gewisse Art, die Welt zu sehen, das Inakzeptable zu akzeptieren und die Dinge zu nehmen, wie sie kommen. Chuck hat einen starken Willen, ist intelligent und vernünftig, aber er hat wohl nicht die Voraussetzungen. Nicht auf lange Sicht. Um ehrlich zu sein bin ich überrascht, dass er überhaupt so lange durchgehalten hat.«
    »Ach, das ist doch Scheiße!« Diana trat gegen die Wand. »Absolute Scheiße!«
    »Es ist nicht fair«, sagte Stacey, »aber nicht jeder hat das passende Temperament, um so zu leben wie wir.«
    »Moment mal. Wir?« Diana deutete auf sich selbst. »Wie du und ich.« Sie richtete den Finger auf das Peter-Wesen. »Und er.«
    Seine Lippen entblößten seine Reißzähne, als er lächelte.
    Langsam schüttelte sie den Kopf. Sie konnte ihre Ablehnung nicht mit Worten ausdrücken.
    Das Peter-Wesen legte ihr eine klauenbewehrte Hand auf die Schulter.
    »Diana gut.«
    »Ja, wie wäre es, wenn du hereinkämst und ein bisschen Kuchen isst?«, fragte Stacey.
    »Nein danke. Ich sollte wirklich lieber nach Chuck sehen.«
    Diana eilte zu seiner Wohnung zurück. Sie schaute nicht zu Stacey und dem Peter-Wesen zurück. Sie war keine von ihnen. Sie gehörte nicht hierher. Lieber würde sie verrückt werden.
    Chuck zog gerade das silberne Klebeband von den Wänden.
    Sie näherte sich vorsichtig und sprach sanft, um ihn nicht zu erschrecken.
    »Hi.«
    Er drehte sich um und lächelte sie an.
    »Oh, hi.«
    »Geht es dir besser?«
    »Ja, ich weiß nicht, was in mich gefahren war.« Er versuchte, ein Knäuel Klebeband in einen Eimer zu werfen, der bereits voll mit dem Zeug war, aber es ging nicht von seiner Hand ab. »Ich hoffe,

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