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Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition)

Titel: Der Mond ist nicht genug: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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stimmt!«
    Er machte die Tür wieder zu.
    Diana stand eine Weile im Flur und wartete darauf, dass Chuck wieder auftauchte. Er tat es nicht. Sie legte das Ohr an die Tür. Sie hörte jemanden reden, vielleicht zwei oder drei Stimmen in schnellem Wechsel, gefolgt von einem dumpfen Schlag und einem Krachen.
    Sie überlegte, ob sie noch einmal klopfen sollte, aber er machte wohl tatsächlich irgendeine Phase durch. Sie wusste nicht, was das für eine Phase war, aber sie hielt sich mit einem Urteil zurück. Sie wusste, Chuck war nicht frei von Gepäck aus der Vergangenheit. Das hatte schließlich jeder.
    Sie war schon auf halbem Weg den Flur entlang, als Chucks Tür aufgerissen wurde.
    »Ich brauche dich!« In seinem Blick loderte manische Energie, als er herausgeschossen kam, sie am Arm packte und zurück in seine Wohnung zerrte. »Ich weiß jetzt, wie man es beenden kann! Ich weiß, wie das alles aufhört!«
    Sie wehrte sich nicht und ließ sich mitziehen.
    »Siehst du? Es geht nur um die Ecken! Ecken! Ecken?«
    Diana erkannte ihn nicht wieder. Der große gut aussehende Mann war zwar noch da, aber alles andere hatte sich verändert. Er wirkte gebeugt, unruhig. Seine Augen glichen blinzelnden dunklen Schlitzen voller Misstrauen.
    Er packte sie an den Schultern. »Kapierst du es nicht? Siehst du es denn nicht?«
    »Die Ecken«, antwortete sie. »Klar, ich verstehe.«
    Er starrte ihr tief in die Augen, dann sah er sich gründlich im Raum um und nahm sich für die Decke ein paar Sekunden länger Zeit.
    »Ich wusste, dass du es weißt. Ich wusste, du würdest es verstehen.« Er schnappte sich eine Rolle Klebeband und begann, es über alle Ecken zu klatschen, an denen sich zwei Wände trafen. »Sie brauchen Ecken. Sie brauchen sie, um durchzukommen, um hierzubleiben. Aber wenn ich die Ecken loswerde, alle Ecken, dann ist es vorbei. Ende!«
    Gackernd lachte er.
    Die Atmosphäre des Wahnsinns um ihn herum war verwirrend, aber jetzt bemerkte sie, dass die ganze Wohnung mit silbernem Klebeband überzogen war. Jede Ecke. Jede Fuge. Alles, was Winkel hatte. Mit der Hälfte des Wohnzimmers war er schon fertig.
    »Chuck, vielleicht solltest du mal Pause machen.«
    »Aber nicht jetzt. Wenn ich jetzt aufhöre, kriegen sie mich.«
    »Wer kriegt dich?«
    »Sie. Sie alle.«
    Sie sah ihm bei der Arbeit zu und überlegte, wie sie damit umgehen sollte. Er schien jetzt ein ganz anderer Mensch zu sein. Sie hätte vielleicht nicht behaupten wollen, der Wahnsinn habe ihn aufgezehrt, aber der Irrsinn hatte bestimmt ein kleines Stück von ihm abgebissen.
    Nur, war er wirklich verrückt? Wie konnte sie wissen, dass er nicht recht hatte? Woher sollte sie wissen, dass man nicht nur genug Zeit und Klebeband brauchte, um die Feinde abzuwehren?
    »Steh nicht so herum!«, knurrte Chuck. »Hilf mir! Du kannst die Couch machen.«
    »Ja, okay.«
    Sie begann, die Möbel zu bekleben. Weil sie nicht von Chucks Wahnsinn besessen war, wusste sie nicht recht, wie sie das Klebeband am besten anbringen sollte. Sie folgte den Kanten, so gut sie konnte und achtete besonders auf die Ecken, an denen sich zwei oder drei Winkel trafen. Nach einer Weile kam es ihr schon nicht mehr absonderlich vor, und als sie mit dem Sofa fertig war, trat sie zurück und bewunderte ihr Werk.
    »So ist es gut«, brummte er. »Ich wusste, du kannst das. Ich wusste es.«
    Sie legte ihm die Hand an den Rücken. »Vielleicht könnten wir mal eine Pause machen. Uns eine Weile hinsetzen.«
    »Das ist zu gefährlich.«
    »Nein, ich habe das Sofa verklebt«, sagte sie. »Es ist vollkommen ungefährlich.«
    Stirnrunzelnd und mit einem Hauch Misstrauen sah er sie an, dann fiel sein Blick auf das Sofa.
    »Du brauchst eine Pause«, sagte sie. »Du kannst das nicht alles auf einmal fertig machen. Wenn du zu müde wirst, machst du nur Fehler.«
    Seine ganze manische Energie verebbte. Er sank in sich zusammen, aber sie hatte den Verdacht, dass es nur ein kurzer Aufschub war. Er wirkte wie ein Motor, der in den Leerlauf gerutscht war. Es sah zwar nicht so aus, als täte er etwas, aber das Getriebe drehte sich noch.
    Sie saßen eine Weile schweigend da. Oder besser gesagt: Sie saß schweigend da, während er vor sich hin murmelte. Sie hätte gern gewusst, was sie sagen konnte, damit alles gut wurde, aber was gab es da zu sagen? Sie war sich nicht einmal sicher, ob er verrückt war.
    Dann stand sie auf. Er fasste ihre Hand ein bisschen zu fest.
    »Schon gut«, sagte sie. »Ich bin gleich zurück.«
    Er

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