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Der Mondscheingarten

Der Mondscheingarten

Titel: Der Mondscheingarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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Bogen leicht über die Saiten. Noch immer gefiel ihr der Klang nicht, also griff sie nach ihrer Stimmgabel und schlug sie an. Nach kurzem Drehen an den Wirbeln hatte sie die richtigen Töne gefunden. Als sie die Geige gerade unter ihr Kinn setzen wollte, flog die Garderobentür auf.
    »Miss!«, rief Mai aufgeregt, während sie mit einem Stück Papier herumwedelte. »Das hier habe ich eben von Mijnheer Colderup bekommen. Er sagte mir, dass ich es Ihnen sofort übergeben soll.«
    Schnaufend nahm Rose das Schreiben entgegen und warf dem Mädchen, dem man die chinesischen Wurzeln nur zu deutlich ansehen konnte, einen giftigen Blick zu. »Beim nächsten Mal betrittst du die Garderobe etwas leiser, oder willst du, dass ich meine Geige fallen lasse?«
    »Nein, Miss, aber ich …« Mai errötete. Eigentlich war sie eine sehr ruhige Bedienstete, die ihre Herrin über alle Maßen anhimmelte. Doch hin und wieder vergaß sie sich.
    »Kein Aber, Mai, die Geige ernährt nicht nur mich, sondern auch dich. Ohne Instrument kann ich nicht spielen, ohne Auftritte habe ich kein Geld, und ohne Geld kann ich mir keine Garderobiere leisten, also stets pianissimo und nicht forte!«
    Mai nickte eifrig, aber Rose bezweifelte, dass sie sich gemerkt hatte, wofür die Begriffe standen.
    Ihr Ärger verflog allerdings, als sie den Absender des Briefes las.
    »Ein Brief von Gouverneur van Swieten?«, wunderte sie sich laut, während sie das Siegel brach und dann den Umschlag öffnete. »Was kann er wollen?«
    »Er will bestimmt, dass Sie für ihn spielen!«, rief Mai aufgeregt.
    Rose sah sie streng an, was ihre Garderobiere den Blick senken ließ. Doch Mai hatte mit ihrer Vermutung recht.
    Sehr verehrte Miss Gallway,
nachdem mir zu Ohren gekommen ist, dass Sie derzeit ein Gastspiel in unserer Stadt geben, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Sie zum 25. dieses Monats zu einem Konzert in meinem Haus einzuladen. Ich bewundere Ihr Spiel schon, seit ich Sie damals am Konservatorium in London gehört habe, und es wäre mir eine außerordentliche Ehre, Sie auf Wellkom zu einem Konzert begrüßen zu dürfen. Sollten Sie willens sein, meiner Einladung zu folgen, wenden Sie sich bitte an meinen Sekretär Westraa, er wird mit Ihnen die Details klären.
Hochachtungsvoll und voller Bewunderung
Piet van Swietens
    Rose stieß einen erstaunten Pfiff aus. Nie hätte sie Mijnheer van Swieten unter ihren Bewunderern vermutet. Er war schon in ihrer Kindheit Gouverneur der Insel gewesen und hätte sich damals sicher nicht um Rose Gallway geschert. Das musste sich inzwischen geändert haben.
    »Mai, bring mir bitte meinen Kalender«, wies sie die Garderobiere an, die flink wie ein Wiesel davonhuschte. Termine zu vereinbaren war eigentlich Sache ihres Agenten, doch zur Sicherheit schrieb Rose sie auch in ihre eigene Agenda.
    Sie stellte fest, dass sie tatsächlich an dem besagten Abend noch kein Arrangement hatte. Und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte sie es wahrscheinlich zugunsten des wichtigeren Termins bei van Swieten sausen lassen. Außerdem freute sie sich auf ein paar Tage in ihrer Heimatstadt. Dort hatte sie dann endlich Gelegenheit, ihre Eltern zu besuchen.
    »Wie es aussieht, haben wir Glück«, sagte sie vergnügt zu Mai, die sich inzwischen nützlich machte, indem sie die überall verstreuten Sachen ihrer Herrin zusammensammelte. Mai wusste nur zu gut, dass Rose Untätigkeit hasste. Deshalb gönnte sich ihre Herrin auch nur selten selbst Ruhe. Wenn sie nicht gerade auftrat, stimmte sie entweder ihre Geige oder spielte, spielte, spielte.
    »Wir werden beim Gouverneur spielen, ist das nicht wunderbar?«
    Mai nickte pflichtschuldig, richtete ihren Blick dann aber wieder auf ihre Arbeit.
    Rose erhob sich nun. Nachdem sie ihre Violine vorsichtig in den Kasten zurückgelegt hatte, begab sie sich zum Schreibtisch. Dort verfasste sie die Antwort an den Gouverneur und gab diese zusammen mit einem Zettel für ihren Agenten, der sich bestimmt mit dem Besitzer der Konzerthalle, in der sie morgen spielen sollte, herumtrieb, in Mais Hände.
    »Dass du das nicht verlierst, hast du verstanden?«
    »Ja, Miss.« Dienstbeflissen nickend schob Mai die Schriftstücke in ihre Jackentasche.
    »Und beeil dich, ich brauche dich nachher für den Auftritt.«
    »Ja, Miss, bin gleich wieder zurück.«
    Als die Tür hinter Mai ins Schloss fiel, huschte ein Lächeln über Roses Gesicht. Der Gouverneur von Sumatra hatte sie eingeladen. Das war fast genauso gut, wie vor dem Sultan

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