Der Mondscheingarten
hat uns eine Botschaft geschickt«, antwortete Paul, nachdem er die Tür geschlossen hatte. Mit dem Messer, das er bei Reisen immer im Stiefelschaft zu tragen pflegte, schlitzte er den Umschlag vorsichtig auf.
Van Swieten hatte, höflich wie immer, den Text in Englisch abgefasst.
»Wir haben eine Einladung bekommen. Mijnheer van Swieten bittet uns am Wochenende zu einem Galadiner in seine Residenz Wellkom .«
»Er nennt sein Haus ›Willkommen‹?«, wunderte sich Maggie.
»Ja, die Holländer sind sehr gastfreundlich, darauf will er bestimmt hinweisen.«
Jetzt kam wieder ein wenig mehr Leben in Maggie. Die Aussicht, einen Abend mit kultivierten Leuten verbringen zu dürfen, ließ ihre Augen leuchten. »Was meinst du, wer wird alles da sein? Irgendwelche prominenten Leute aus der Gegend?«
Paul sah, wie es hinter Maggies Stirn regelrecht zu rattern begann. Wahrscheinlich fragte sie sich, wie sie hier an eine gute Schneiderin kommen konnte, die ihr innerhalb von fünf Tagen eine Robe nähte, die die anderen Damen vor Neid erblassen ließ.
»Vermutlich werden Freunde des Gouverneurs zugegen sein. Und natürlich Besitzer von Zucker- und Tabakplantagen.«
»Engländer?«
»Gewiss. Und Holländer und Deutsche. Und sie alle werden ihre Gattinnen dabeihaben, so dass du nicht befürchten musst, dich zu langweilen.«
»Das tue ich doch gar nicht«, protestierte Maggie, die sich jetzt sogar von ihrem Platz erhob. »Nur erschien mir die Aussicht, Wochen zwischen Palmen und Affen zu verbringen, nicht besonders reizvoll.«
»Du hast von diesen Palmen und Affen ja noch gar nichts gesehen«, entgegnete Paul, und plötzlich kam ihm eine brillante Idee. »Wie wäre es, wenn wir einen kleinen Stadtbummel machen? Ich bin sicher, dass es hier viele Geschäfte gibt, die dein Herz erfreuen. Du möchtest doch sicher zum Empfang beim Gouverneur neuen Schmuck oder vielleicht ein neues Kleid.«
Das Leuchten, das nun in die Augen seiner Angetrauten trat, sagte ihm, dass er damit genau ihren Geschmack getroffen hatte.
»O ja, ein neues Kleid wäre wunderbar. Und wie ich gehört habe, soll Sumatra die Insel des Goldes sein. Vielleicht gibt es tatsächlich schönen Schmuck hier!«
»Dann mach dich frisch, anschließend gehen wir ein wenig in die Stadt und suchen ein passendes Kleid für den Empfang.«
Während Maggie im Badezimmer verschwand, trat Paul wieder ans Fenster und beobachtete das Treiben auf der Straße unter ihm. Eine Gruppe Frauen, die in strahlend weiße Gewänder gekleidet waren, zog seinen Blick an. Sie wirkten zwischen all den Buntgekleideten wie Gänseblümchen in einem Rosenbeet, doch gerade das machte sie so anziehend. Ihr Haar hielten sie, wie es unter den Musliminnen des Landes üblich war, unter langen Tüchern verborgen, doch ihre Gesichter waren strahlend schön.
Sein Vater hatte immer von den balinesischen Tänzerinnen geschwärmt, die er bei Besuchen im Hause van Swieten bewundern durfte. Ob der Gouverneur auch für sie solch eine Darbietung parat hatte?
Mit einem unbestimmten sehnsuchtsvollen Gefühl in der Brust schaute er den Frauen noch eine Weile hinterher, bis Maggie aus dem Bad kam.
Die Aussicht, schon bald in Gesellschaft anderer Ausländer zu sein, stimmte Maggie etwas gnädiger. Weder störten sie die Händler am Wegrand noch die Kinderhorden, die zuweilen vor ihnen erschienen und unter den hier üblichen Ehrbezeigungen um eine Gabe baten. Als der Muezzin von einer der Moscheen die Muslime zum Gebet rief, bemerkte Maggie: »Es ist fast, als seien wir in Ägypten. Nur dass es hier nicht so trocken und staubig ist.«
Als sehr junge Frau, das wusste Paul, hatte Maggie ihren Vater zusammen mit ihrer Mutter bei einer Forschungsreise begleitet. Er war der Finanzier einer Ausgrabung im Tal der Könige gewesen, die sich leider als kein besonders großer Erfolg entpuppt hatte. Obwohl sie die meiste Zeit in Zelten verbracht hatte, schwärmte Maggie hin und wieder von den wunderbaren Sonnenuntergängen in der Wüste oder beklagte nachträglich die Kälte, der sie zu Nachtzeiten ausgesetzt gewesen waren.
Der Ruf zum Gebet brachte allerdings auch mit sich, dass sie sich innerhalb weniger Augenblicke in einer dichten Menschenmenge befanden und gar nicht anders konnten, als dem Strom zu folgen, bis sie der Menge in einer kleinen Seitenstraße entkamen. Maggie klammerte sich die ganze Zeit über an Pauls Arm fest und blickte sich ängstlich um.
Das Viertel, in dem sie sich jetzt befanden, schien den
Weitere Kostenlose Bücher