Der Mondscheingarten
um einen netten Abend beim Schattentheater mit ihm zu verbringen, nichts weiter.
Während der Puppenspieler die Puppen sorgsam in seine Kiste packte, entdeckte Rose einen Stand in der Nähe, von dem ein herrlicher Geruch ausging.
»Warten Sie, ich hole uns etwas zu essen«, sagte Rose, und bevor Paul etwas dazu sagen konnte, lief sie los. Wann hatte sie zum letzten Mal Klepon gegessen? Diese mit Palmzucker gefüllten Reiskugeln, die in Kokosraspeln gewälzt wurden, hatte sie als Kind geliebt! Wann immer sie zum Puppenspiel gegangen waren, hatte ihre Mutter ihr welche gekauft.
An dem kleinen Stand, dessen Besitzer alle Hände voll zu tun hatte, die Köstlichkeit frisch zuzubereiten, reihten sich ein paar Leute auf, vorwiegend mit Kindern an der Hand. Niemand ging zum Wayang, ohne sich zwischendurch etwas zu essen zu holen. Das wussten die Händler und versammelten sich rings um die Bühne.
Mit zwei kunstvoll aus Palmblättern geflochtenen Tüten kehrte sie schließlich zu Paul zurück, gerade rechtzeitig, bevor das Gamelan den Beginn des neuen Stücks ankündigte.
»Die sind ja grün!«, rief er überrascht aus, als Rose ihm eine Tüte reichte.
»Was meinen Sie? Die Palmblätter? Natürlich sind die grün!« Rose lächelte schelmisch. Natürlich wusste sie, was den Lord so erstaunte.
»Nein, die Kugeln. Ich habe noch nie eine vollkommen grüne Süßigkeit gesehen. Außer bei sündhaft teuren Konditoren in London.«
»Das ist der Saft von Schraubenpalmen«, erklärte Rose, während sie eines der Kügelchen in die Hand nahm. »Damit wird der Teig gefärbt. Außerdem kommen da noch Reismehl und Süßkartoffel hinein. Probieren Sie, es ist gut.«
Während Rose abbiss und die Süße der Palmzuckerfüllung ihren Mund flutete, wirkte Paul noch etwas skeptisch. Doch dann versuchte er es. Zunächst zogen sich seine Augenbrauen zusammen, doch dann entspannte sich seine Miene und begann zu leuchten.
»Mmh, das ist wirklich gut!«
»Finden Sie?«
»Ja, ehrlich! Ich sollte dieses Rezept mitnehmen und die Küchlein in London verkaufen.«
»Meinen Sie, Londoner Gaumen sind bereit dafür?«, scherzte Rose und ließ eine zweite Kugel in ihrem Mund verschwinden.
»Londoner Gaumen sind immer auf der Suche nach etwas Neuem. Sie kennen ja die englische Küche, die ist von sich aus nicht besonders fantasievoll, also braucht sie Einflüsse von außen.«
»Dann sollten Sie vielleicht in einen Klepon-Stand investieren anstatt in eine Zuckerplantage«, entgegnete Rose amüsiert.
»Das werde ich vielleicht«, entgegnete Paul kauend und griff nach dem nächsten Kügelchen. Währenddessen begann das nächste Märchen – von der Prinzessin aus dem Ei.
Als sie kurz vor Anbruch des Morgens ins Hotel zurückkehrte, fühlte sich Rose so leicht, als sei sie ein Teil des Nebels, der um diese Zeit über der Küste schwebte. Der Abend mit Havenden hatte ihr gezeigt, dass es noch andere Dinge als die Musik gab, Dinge, die sich überaus schön anfühlten, und Wünsche, die nichts mit Musik zu tun hatten, sondern mit Liebe und Leidenschaft. Am liebsten würde sie Hunderte von diesen Abenden verleben, mit Paul an ihrer Seite.
Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen sperrte sie die Tür auf – nur um im nächsten Augenblick erschrocken zusammenzuzucken. Schwerlich konnte sie einen Schrei unterdrücken, als sie Carmichael auf dem Sofa sitzen sah.
»Was suchst du hier?«, fuhr sie ihn an, während sie die Tür ins Schloss fallen ließ.
»Ich wollte eigentlich mit dir über die Konzerte, die van Swieten für dich arrangiert hat, reden. Mai hat mich eingelassen.«
Dummes Mädchen, dachte Rose zornig, während sie sich die Hutnadeln aus dem Haar zog.
»Wo warst du?«, fragte Carmichael betont ruhig – das Anzeichen dafür, dass es in ihm brodelte.
»Aus«, antwortete Rose, denn sie hatte nicht vor, ihm irgendwelche Erklärungen zu geben, schon gar nicht zu Paul. Außerdem war der Abend viel zu schön gewesen, um ihn sich von Carmichael madig reden zu lassen.
»Schon das zweite Mal. Gestern habe ich dich auch nicht erreicht.« Carmichael kniff misstrauisch die Augen zusammen, beäugte sie.
»Da war ich bei meinen Eltern und bin über Nacht geblieben.«
»Du hättest die Güte haben können, dich zu melden, mir wenigstens eine Nachricht zukommen zu lassen.«
»Ich bin müde«, sagte Rose erschöpft. »Lass uns nachher weiterreden, ich habe keine Lust, mich jetzt mit dir zu streiten.«
»Also gut, wie du willst.« Er erhob sich, und
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