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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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weshalb ist dann Ihr Freund Chanler hier hochgekommen, um nach dem Wendigo zu suchen?«
    »Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Ich würde allerdings sagen, dass es nicht geschah, um seine Nichtexistenz zu beweisen, denn einen nicht zu finden würde bloß beweisen, dass einer nicht gefunden wurde. Meine Vermutung ist, dass er hoffte , einen zu finden, oder wenigstens einen unwiderlegbaren Beweis für einen. Sehen Sie, es ist eine Bewegung im Gange, den Umfang unserer Forschungen dahin gehend auszudehnen, dass ebendiese Wesen darin eingeschlossen werden, von denen Sie gesprochen haben – Vampire, Werwölfe und dergleichen –, eine Bewegung, der ich ausgesprochen ablehnend gegenüberstehe.«
    »Und warum ist das so?«
    Warthrop gab sich größte Mühe, ruhig zu bleiben. »Weil, mein guter Sergeant Hawk, sie, wie ich schon gesagt habe, nicht existieren.«
    »Aber Sie haben auch gesagt, einen nicht zu finden beweist nicht, dass sie nicht existieren.«
    »Ich kann mit nahezu absoluter Gewissheit sagen, dass sie es nicht tun, und ich brauche mich nicht über mein eigenes Denkvermögen hinauszuwagen, um das zu beweisen. Nehmen wir als Beispiel den Wendigo. Was sind seine Charakteristika?«
    »Charakteristika?«
    »Ja. Was unterscheidet ihn von, sagen wir einmal, einem Wolf oder einem Bären? Wie würden Sie ihn definieren?«
    Hawk schloss die Augen, wie um sich vor seinem inneren Auge ein besseres Bild vom Gesprächsgegenstand zu machen.
    »Na ja, sie sind groß. Über fünfzehn Fuß hoch, sagt man, und dünn, so dünn, dass sie verschwinden, wenn sie sich zur Seite drehen.«
    Der Doktor lächelte. »Ja. Machen Sie weiter!«
    »Er ist ein Gestaltwandler. Manchmal ist er bloß wie ein Wolf oder ein Bär, und er ist immer hungrig. Er frisst nichts außer Menschen, und je mehr er frisst, desto hungriger wird erund desto dünner wird er, deshalb muss er ständig weiterjagen; er kann nicht aufhören. Er bewegt sich durch den Wald, indem er von Baumkrone zu Baumkrone springt; manche sagen auch, er breitet seine langen Arme aus und gleitet auf dem Wind. Er kommt einen immer nachts holen, und sobald er einen gefunden hat, ist man ein Todeskandidat; es gibt nichts, was man dann noch machen kann. Er spürt dir tagelang nach, ruft deinen Namen, und etwas in seiner Stimme macht, dass du gehen willst.
    Eine Kugel kann ihn nicht niederstrecken, außer wenn sie aus Silber ist. Alles aus Silber kann ihn umbringen, aber das ist das Einzige. Dann muss man ihm das Herz herausschneiden und den Kopf abhacken und anschließend den Körper verbrennen.«
    Er holte tief Luft und blickte meinen Herrn mit verdrossener Miene an.
    »Nun haben wir also die meisten körperlichen Attribute abgedeckt«, sagte der Doktor wie ein Schulleiter, der eine Klasse durch Suggestivfragen lenkt. »Humanoide Erscheinung, sehr groß, mehr als zweimal so groß wie ein erwachsener Mann, extrem dünn, so dünn, sagen Sie, dass er sich über die Physik hinwegsetzt und unsichtbar wird, wenn er sich zur Seite dreht. Zu erwähnen vergaßen Sie, dass das Herz des Lepto lurconis aus Eis besteht. Der Wendigo ernährt sich von Menschen – und, interessanterweise, gewissen Moosarten, wie ich hinzufügen darf – und besitzt die Fähigkeit zu fliegen. Ein weiteres Attribut, welches Sie zu erwähnen versäumten, ist seine Reproduktionsmethode.«
    »Seine was?«
    »Jede Spezies auf dem Planeten muss irgendein Verfahren haben, die nächste Generation hervorzubringen, Sergeant. Jedes Kind weiß das. Sagen Sie mir also, wie macht der Wendigo kleine Wendigos? Als Hominide ist er eine höhere Ordnung der Säugetiere – den wesentlichen Punkt einmal unberücksichtigt gelassen, wie ein Herz aus Eis Blut pumpen kann –, folglich ist er nicht ungeschlechtig. Was können Sie mir über seine Werberituale sagen? Haben Wendigos Rendezvous? Verlieben sie sich? Sind sie monogam oder nehmen sie sich mehrere Partner?«
    Unser Führer musste unwillkürlich lachen. Die Absurdität des Ganzen war zu viel für ihn geworden.
    »Vielleicht verlieben sie sich ja tatsächlich, Doktor. Es ist eine nette Vorstellung, dass wir nicht die Einzigen sind, die das können.«
    »Man muss sich hüten, die Natur zu anthropomorphisieren, Sergeant. Dennoch müssen wir Raum für Liebe bei den niederen Ordnungen lassen – ich kann Herrn Biber nicht in den Kopf sehen; vielleicht liebt er Frau Biber von ganzem Herzen. Aber um zu meiner Frage über die Wendigos zurückzukehren: Sind sie unsterblich – im

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