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Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo

Titel: Der Monstrumologe und der Fluch des Wendigo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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auszumalen.
    »Solche der unentbehrlichen Sorte.«
    »Er wird uns nur aufhalten.«
    »Nicht mehr als auf einem Bürgersteig zu stehen und eine sinnlose Diskussion zu führen, Sergeant. Ich garantiere Ihnen, dass er nützlicher ist, als sein Aussehen vermuten lässt.«
    Hawk betrachtete mein »Aussehen« einen Moment lang unschlüssig.
    »Ich zweifele nicht an Ihren Worten, Doktor, aber auf mich wirkt er ein bisschen zart. Sie sind jetzt nicht mehr in Neuengland; das, wovon hier die Rede ist, sind unbewohnte, entlegene Gegenden.«
    Sergeant Hawk wandte sich mir zu. »Es gibt keine Monster in den Wäldern, Mr. Will Henry, aber es gibt andere Wesen, die genauso erpicht darauf sind, dich zu fressen. Bist du sicher, dass du mitkommen willst?«
    »Mein Platz ist beim Doktor«, sagte ich, wobei ich versuchte, entschlossen zu klingen.
    Danach ließ er es sein. Mit einem Zucken seiner breiten Schultern und einem schiefen Grinsen hängte er sich sein Gewehr über den Rücken und hieß uns folgen. Er war ein großer Mann und seine Schritte lang; er war es gewohnt, große Strecken durch unwegsames Gelände zu marschieren; und in den kommenden Tagen sollten der Doktor und ich bis an unsere Grenzen belastet werden, sowohl körperlich wie seelisch, denn er hatte recht. Wir waren nicht mehr in Neuengland.

SECHS
    »Eine völlig andere Spezies«

    In jener ersten Nacht schlugen wir, nach einer Wanderung von fast zwanzig Meilen entlang einem ausgetretenen Pfad, das Lager am nördlichen Ufer eines riesigen Sees auf. Auf jeder Seite des Sees waren Kanus zurückgelassen worden, eine Gefälligkeit für hiesige Jäger und die eingeborenen Völker, die den Pfad als Handelsroute nach Rat Portage nutzten. Das Überqueren des Sees nahm fast zwei Stunden in Anspruch, so gewaltig war die Ausdehnung des Gewässers und so bedachtsam unsere Überfahrt, denn mit uns dreien und unserer gesamten Ausrüstung an Bord lag das kleine Kanu bedenklich tief im Wasser. Während Warthrop Hawk beim Aufstellen des Zelts half – dieser hatte nur eins eingepackt, weil er nicht damit gerechnet hatte, dass wir zu dritt wären –, wurde ich in den umliegenden Wald geschickt, um Anzündmaterial für unser Feuer zu sammeln. Im Schatten der Abenddämmerung vermeinte ich, ein Rascheln zu hören, verursacht von irgendeiner großen, durchs Unterholz schleichenden Kreatur. Ich kann nicht sagen, ob es wirklich so war, nur dass, so wie das Tageslicht schwand, die Fruchtbarkeit meiner Vorstellungskraft exponentiell zuzunehmen schien.
    Die Nacht war jedoch noch nicht vollends hereingebrochen, da hatte Sergeant Hawk schon ein fröhliches Feuer entfacht, über dem er in einer Pfanne frische Wildbretwürste briet, und schwatzte munter drauflos wie ein aufgeregter Schuljunge am Vorabend der Sommerferien.
    »Jetzt müssen Sie mir aber etwas über dieses Monstrumologiegeschäft erzählen, Doktor!«, sagte er. »Ich habe einige ziemlich merkwürdige Wesen in den Wäldern gesehen, aber die sind mit Sicherheit nichts im Vergleich zu dem, was Sie auf Ihren Reisen gesehen haben! Holla, wenn nur die Hälfte von dem, was meine Mutter erzählt hat, wahr ist …!«
    »Da ich nicht weiß, was sie Ihnen erzählt hat, kann ich nichts über die Wahrheitsliebe Ihrer Mutter sagen«, entgegnete der Doktor.
    »Was ist mit Vampiren – haben Sie mal welche gejagt?«
    »Habe ich nicht. Das wäre auch ein außerordentlich schwieriges Unterfangen.«
    »Wieso? Weil sie so schwer zu erwischen sind?«
    »Sie sind unmöglich zu erwischen.«
    »Nicht, wenn man einen in seinem Sarg findet, habe ich gehört.«
    »Sergeant, ich mache keine Jagd darauf, weil sie, wie der Wendigo, nicht existieren.«
    »Wie sieht’s mit Werwölfen aus? Schon mal einen von denen gejagt?«
    »Noch nie.«
    »Existieren die auch nicht?«
    »Ich fürchte nein.«
    »Was steht’s mit –«
    »Ich hoffe, Sie werden nicht gleich ›Zombies‹ sagen!«
    Der Mund des Mannes klappte zu. Er starrte ein paar Momente lang ins Feuer und stocherte mit einem Stock in der flackernden Glut herum. Er wirkte irgendwie geknickt.
    »Nun, wenn Sie nichts davon jagen, was für Wesen jagen Sie dann?«
    »Im Großen und Ganzen jage ich sie gar nicht. Ich habe mich ihrem Studium verschrieben. Sie zu fangen oder gar zu töten ist etwas, das ich zu vermeiden suche.«
    »Klingt nicht nach besonders viel Spaß.«
    »Ich nehme an, das hängt von Ihrer Definition von ›Spaß‹ ab.«
    »Tja, wenn es sich bei der Monstrumologie nicht um solche Sachen dreht,

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