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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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Es war etwas an Monsieur Rimbaud, das den verantwortungslosen Geist hervorlockte, den amoralischen Animus, der ja sagt, wenn der Zigeuner vor dem Zelt uns drängt, zu kommen und zu sehen.
    Doch der Monstrumologe wartete nicht auf uns, als wir gegen drei an diesem Nachmittag wieder zurückkamen. Der Rezeptionist teilte Rimbaud mit, dass er Warthrop auch nicht gesehen hatte. Wir zogen uns an denselben Tisch draußen auf der Terrasse vor dem Speisesaal zurück (es schien sein Lieblingsruheplatz zu sein), wo der Poet, der sich zum Kaffeeexporteur gewandelt hatte, einen weiteren Absinth bestellte und es sich gemütlich machte, um die Rückkehr des Doktors zu erwarten.
    »Siehst du? Du hast dir umsonst Sorgen gemacht.«
    »Er sollte inzwischen zurück sein«, sagte ich.
    »Zuerst sorgst du dich, dass er zurückkommt, und dann sorgst du dich, dass er nicht kommt.«
    »Wo ist er hin?«
    »In die Stadt, um eure Überfahrt nach Sokotra zu arrangieren. Weißt du denn nicht mehr? Ich habe versucht, ihm zu sagen, dass es zu früh war. Vor fünf oder so ist Bardey nie da. Er istnachtaktiv, wie eine Fledermaus. Du scheinst nervös zu sein. Was ist los? Steckt er in irgendwelchen Schwierigkeiten?«
    »Sie sagten, es sei kein guter Stadtteil.«
    »Weil es nicht einen guten Stadtteil gibt, außer es ist Camp Aden oder das Engländerviertel, und dann ist es, na ja, das Engländer viertel.«
    »Sollten wir ihn nicht suchen gehen?«
    »Wir sind gerade erst zurückgekommen, und ich habe gerade erst mein Getränk bekommen.«
    »Sie müssen nicht mitkommen.«
    »Ich bitte um Entschuldigung. Als du gesagt hast: ›Sollten wir ihn nicht suchen gehen‹, da habe ich verstanden: ›Sollten wir ihn nicht suchen gehen‹. Du kannst tun, was immer du magst. Ich werde hier sitzen bleiben und mein Glas austrinken, und dann werde ich nach oben auf mein Zimmer gehen und ein Nickerchen machen. Ich bin müde von unserer Wanderung.«
    Die Nachmittagsflut kam herein und mit ihr ein angenehmer leichter Wind vom Meer. Die Sonne glitt hinter die Shamsan-Berge, und ihre Schatten dehnten sich über Crater aus und krochen auf uns zu. Rimbaud trank aus.
    »Ich werde mich eine Weile hinlegen«, informierte er mich. »Was wirst du machen?«
    »Ich bleibe hier und warte auf den Doktor.«
    »Falls er noch nicht zurück ist, wenn ich aufstehe, gehen wir in die Stadt und suchen nach ihm.«
    Er ließ mich auf der Terrasse allein mit der Brise und den vorrückenden Schatten und dem allgegenwärtigen fernen Gebimmel der Tamburine.
    Der kleine Araberjunge kam, um Rimbauds leeres Glas zu holen, und fragte, ob ich noch ein Ginger Ale möchte. Ich bestellte zwei und trank sie beide schnell, eins direkt nach dem andern, und war anschließend immer noch durstig, als hätte dieses leblose Land mir jeden Tropfen Flüssigkeit aus dem Körper gesaugt.
    Gegen fünf Uhr ging die Tür hinter mir auf, und ich drehtemich um in der Erwartung – in der Gewissheit  –, den Doktor zu sehen.
    Zwei Männer traten ins Freie. Einer war sehr groß mit einem leuchtend roten Haarschopf. Sein Begleiter war viel kleiner und dünner und hatte gar keine Haare. Rurick nahm den Stuhl rechts von mir; Plešec setzte sich links von mir hin.
    »Du werden nicht weglaufen«, sagte Rurick.
    Ich nickte. Ich würde nicht weglaufen.

Zweiunddreißig
    »Geben Sie ihn Will Henry«

    »Wo ist Warthrop?«, fragte er.
    Die Frage verringerte mein Entsetzen ein wenig: Sie bedeutete, dass der Doktor noch am Leben war. Wie lange er – und ich – dies bleiben würden war die Frage. Einen kleinen Moment lang überlegte ich, wie sie mich gefunden hatten, und kam dann zu dem Schluss, dass es ein sinnloses Rätselraten war. Das Wie spielte keine Rolle, und das Wieso wusste ich bereits. Würde es falls oder wenn sein? Das war der springende Punkt.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich.
    Etwas Spitzes drückte gegen meinen Bauch. Plešec hatte sich zu mir herübergebeugt; seine rechte Hand war unter dem Tischtuch verborgen. Als er lächelte, bemerkte ich, dass ihm einer seiner Vorderzähne fehlte.
    »Ich könnte dich direkt hier ausweiden«, sagte Plešec. »Denkst du, ich werde es nicht?«
    »Ihr wohnen in diesem Hotel?«, fragte Rurick.
    »Nein. Ja.«
    »Ich dir werden jetzt Regeln erklären«, sagte Rurick geduldig. »Regel eins: Wahrheit sagen. Regel zwei: Nur sprechen wenn angesprochen. Du kennen diese Regeln, ja? Du bist Kind. Alle Kinder kennen diese Regeln.«
    Ich nickte. »Ja, Sir.«
    »Guter Junge. Sehr

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