Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes
New York oder London findet. In Crater gibt es viel Aktivität, aber wenig Bewegung, denn am Nachmittag, wenn die Sonne den Himmel direkt darüber ausfüllt und die Schatten verschwinden, niedergehalten unter den Füßen, brät die Stadt in ihrer Bowleschüssel. Die Gebäude waren so trist wie die sie umgebende Landschaft, wirkten müde, sogar die neueren kolonialen, zusammengesackt, so schien es meinem Auge, wie angestrichene Kalebassen, die in der Sonne faulten.
Wir holperten über die heiße, staubige Straße, bis die heiße, staubige Straße abrupt endete. Wir hatten den Talschluss des Wadi Tawila, des Tawila-Tals, erreicht, wo die vulkanischen Massen erkalteter Lava und Asche ihre kahlen Häupter dem gnadenlosen Himmel entgegenreckten. Es war das Ende der Zivilisation und unserer Gharryfahrt; zu den Zisternen würden wir über Steintreppen wandern, die sich durch einen Gebirgshohlweg schlängelten. Unser gharry-wallah sagte etwas zu Rimbaud auf Französisch; ich schnappte das Wort » l’eau « auf. Rimbaud schüttelte den Kopf und murmelte: » Nous serons bien. Merci .«
»Du erkennst das Problem«, schnaufte er über die Schulter, als ich ihm die Stufen hochfolgte. »Sieh hinter dich. Ausgebreitet in ihrer ganzen unfruchtbaren Pracht liegt die Stadt Crater da. Aden kann nicht mehr als drei Zoll Regen im Jahr bekommen, aber wenn es regnet, dann schüttet es! Die Zisternen wurdengebaut, um Überschwemmungen zu verhindern – und um den Briten tausend Jahre später etwas zu tun zu geben. Sind fast da … Hinter der nächsten Biegung da …«
Er ging geschickt um einen Felsvorsprung herum, blieb unvermittelt stehen und zeigte nach unten. Wir standen am Rand eines großen, kegelförmigen Lochs, das aus dem Felsgestein ausgehoben worden war, fünfzig Fuß Durchmesser oben und wenigstens genauso tief, hell glänzend wie Marmor in der Sonne.
»Na, was denkst du?«, fragte er. Sein Gesicht glitzerte vor Schweiß, das Vorderteil seines Hemds war durchtränkt davon, und seine Wangen brannten, entweder vor Aufregung oder Anstrengung.
»Es ist ein Loch.«
»Nein, es ist ein sehr großes Loch. Und ein sehr altes Loch. Siehst du, wie es wie Marmor glänzt? Es ist allerdings kein Marmor; es ist Stuck.«
»Es ist trocken.«
»Es ist die Wüste.«
»Ich meine, es ist kein Wasser drin.«
»Das ist nur eine davon. Ringsum in diesen Hügeln gibt es Dutzende.«
»Werden Sie sie mir alle zeigen?«
Er starrte mich einen Moment lang an. Im Sonnenlicht schienen seine Augen überhaupt keine Farbe zu haben.
»Möchtest du meine Lieblingsstelle in Aden sehen?«, fragte er.
»Ist sie im Schatten?«
»Es ist nicht weit, ungefähr zweihundert Meter, und dort könnte es etwas Schatten geben.«
»Sollten wir nicht ins Hotel zurück? Der Doktor wird sich Sorgen um uns machen.«
»Wieso?«
»Weil er erwartet, uns dort vorzufinden.«
»Hast du Angst vor ihm?«
»Nein.«
»Schlägt er dich?«
»Nein. Nie.«
»Verstehe. Er schneidet dir bloß die Finger ab.«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Du hast etwas in der Art gesagt.«
»Ich denke, ich werde ins Hotel zurückgehen«, sagte ich und drehte mich vorsichtig um; ich wollte nicht in die Ausschachtung fallen.
»Warte! Ich verspreche dir, dass es nicht weit ist, und wir können uns dort ausruhen, bevor wir zurück hinunterwandern.«
»Was ist es?«
»Ein heiliger Ort.«
Ich schaute ihn durch misstrauisch verengte Augen an, und als ich das machte, tropfte mir Schweiß hinein, und die Welt schmolz ein bisschen.
»Eine Kirche?«
»Habe ich das gesagt? Nein. Ich sagte ›ein heiliger Ort‹. Komm, es ist nicht weit! Ich verspreche es!«
* * *
Wir erklommen eine weitere Reihe von Treppen, die an einer niedrigen Steinmauer vorbeiführten. Ich schaute nach links und sah Crater, das sich unter uns ausbreitete, die weiß getünchten Gebäude, die sich in der sengenden Hitze wellten. Am Ende der Mauer wandte Rimbaud sich nach rechts, und wir stiegen einen breiten, unbefestigten Pfad weiter hoch, der sich steil in den wolkenlosen Himmel erhob. Das Knirschen unserer Schuhe im vulkanischen Staub, das Wuchten der Luft in unsere Lungen und wieder hinaus – das waren die einzigen Geräusche, als wir uns zur Spitze hochquälten, wo das Ende des Pfads dem blassen, ausgebluteten Blau des Himmels begegnete. Als wir den Gipfel erreichten, fanden wir uns am Fuße eines kleinen Plateaus fünfhundert Fuß über dem erloschenen Krater wieder. Eine weitere Reihe von Stufen führte nach
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