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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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kindlichen Enthusiasmus zu bezähmen. »Du verstehst, was das bedeutet, Will Henry. Trotz all ihrer Bemühungen, den Preis meinem Zugriff zu entziehen, sind die Russen gescheitert. Das Magnificum streift immer noch frei umher!«
    »Russen?«, fragte Awaale. »Welche Russen?«
    Der Doktor beachtete ihn nicht. »Ich vermute, sie haben ihre Hoffnungen in Sidorov gesetzt, einen schauderhaften Wissenschaftler, der die Freiheitsstatue nicht einmal dann fände, wenn man ihn auf Bedloe’s Island schmeißen würde!« Er klopfte auf den Behälter, der den abgetrennten Finger enthielt. »Vielleicht gehört der hier ja meinem früheren Kollegen – ein passendes Ende einer schmachvollen Laufbahn!«
    Awaale schüttelte langsam den Kopf. Auf all seinen Reisen war er nie einem Menschen wie dem Monstrumologen begegnet, und Awaale war, wie man sich erinnern wird, mit blutrünstigen Piraten gereist. Warthrops spezielle Sorte des Blutrauschs jedoch war ein besonderer Jahrgang, ein Geschmack, der dem Somalier ganz und gar fremd war, wie der Unterschied zwischen Fusel und feinem Wein.
    Der Doktor steckte den Probenbehälter in die Instrumententasche und zog sich hoch, indem er sich am Stamm des Drachenblutbaums festhielt, um nicht den schlammigen Abhang hinunterzurutschen. Er legte den Kopf schief, als horchte er nach etwas, das im Aufruhr des wuchtig fallenden Regens verborgen war. In der Rinne unter uns war das Wasserrinnsal zu einem flachen Bach angeschwollen, der fröhlich über die Felsen brauste.
    »Wir müssen hinüber!«, sagte Warthrop plötzlich. Er warf sich die Instrumententasche über die Schulter und begann hinunterzusteigen. »Jetzt!«
    Wir waren fast zu spät. Eine fünf Fuß hohe Wasserwand wirbelte um die Biegung vor uns, eine aufgewühlte, mit Geröll beladene schäumende Masse, die auf uns zugebraust kam wie eine außer Kontrolle geratene Lokomotive. Auf halber Strecke zur anderen Seite rutschte ich aus und fiel kopfüber hin; mein entsetzter Aufschrei wurde vom heftigen Regenfall erstickt. Awaale, der die andere Seite schon erreicht hatte, machte kehrt und lief zurück, um mich zu holen, mit den Beinen wild aufs knietiefe Wasser eindreschend. Er packte mich am Arm und warf sich meinen Körper mit der flüssigen Bewegung eines Steamer-Point-Kohlenlöschers über die Schultern. Mit einem mächtigen Brüllen schleuderte er mich hoch zum Doktor, dem es glückte, mich am Kragen zu erwischen, ehe die glitschigen Steine mich wieder nach unten beförderten. Mühsam kletterte ich, auf dem Rücken wie eine trippelnde Krabbe, die Böschung hoch, indem ich die Absätze fest gegen den Felsen drückte. Unter mir klammerte und krallte Awaale sich an die Steine, während unter ihm die schlammigen Fluten brüllend durchs Bachbett brausten und die Ausscheidungen der Berge, ihr schmutziges Erbrochenes, der See zutrugen.
    Irgendwie spürte Warthrop es kommen – er muss es gespürt haben, denn als wir die Höhe des anderen Ufers erreicht hatten, suchten wir keinen Schutz. Er hockte sich an den Rand der Rinne, zog den Hut tief in die Stirn, um die Augen vor dem Regen zu schützen, und wartete. Er hob die Hand, einen Finger ausgestreckt, und wie aufs Stichwort kam ein kopfloser menschlicher Oberkörper um die Biegung, der sich träge in der inzwischen langsamer werdenden Strömung drehte; der Leib war längs der Mitte weit gespalten, sodass er die Gedärme im blutigen Schaum hinter sich herzog.
    Es kam noch mehr Abfall. Einige der größeren Stücke waren leicht zu identifizieren – eine Hand hier, ein Kopf da. Andere waren bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt. Der Regen ließ nach; die Strömung verringerte sich; der kosmische Inspizient verfügte, dass der Festumzug sich zu einem getragenen Tempo verlangsame, das sich der Feierlichkeit des Anlasses ziemte. Das Wasser ging von schlammig braun zu rostrot über – ein Fluss aus Blut, der aus dem zerbrochenen Herzen der Insel strömte.
    Der Monstrumologe blickte auf die menschliche Gezeit hinab und war verzückt.
    Er murmelte: »Daran sollst du erfahren, dass ich der Herr bin. Siehe, ich will mit dem Stabe, den ich in meiner Hand habe, das Wasser schlagen, das in dem Strom ist, und es soll in Blut verwandelt werden.«
    »Das ist nicht sein Werk!«, raunte Awaale seinerseits. Esbestand eigentlich keine Notwendigkeit zu flüstern, und dennoch bestand irgendwie alle Notwendigkeit. »Sie verdrehen sein Wort!«
    »Ganz im Gegenteil!«, antwortete der Monstrumologe. »Ich bin sein ergebener

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