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Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes

Titel: Der Monstrumologe Und Die Insel Des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Yancey
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linken Arm. Mein Hals war steif, und meine Augen fühlten sich ganz trocken an. Es war spät.
    Der Tag lag im Sterben und ich auch.
    * * *
    Sich wider das Ende der Hoffnung zu behaupten ist nicht Dummheit oder Wahnsinn , hatte der Monstrumologe gesagt. Es ist fundamental menschlich.
    Ich saß mit dem Rücken am Berg und hielt Awaales Messer auf dem Schoß.
    Das Messer war sehr scharf. Seine Schneide war fleckig von meinem Blut.
    Ich werde dir nicht erzählen, dass es dir Glück bringen wird   – es ist das Messer, das ich benutzt habe, um denjenigen zu opfern, den ich liebte   –, aber wer weiß? Vielleicht wäschst du ja seine Klinge mit dem Blut der Bösen rein.
    Zwei Türen: Ich konnte warten, bis der Tod zu der von ihm gewählten Zeit kam – oder ich konnte die Zeit wählen. Ich konnte als Monster krepieren oder als Mensch sterben.
    Wir sind die Söhne Adams. Es liegt in unserer Natur, uns umzudrehen und dem Gesichtslosen ins Gesicht zu sehen.
    Der Tag lag im Sterben, und doch schien die Welt blendend hell, und meine Augen nahmen das kleinste Detail mit verblüffender Klarheit auf.
    Man nennt es Oculi Dei … die Augen Gottes.
    Schließlich hatte er mich doch noch aufgespürt, Typhoeus , der Gesichtslose mit den tausend Gesichtern.
    Ich war das Nest.
    Ich war das Junge.
    Ich war die Fäule, die von den Sternen fällt.
    * * *
    Jetzt verstehen Sie, was ich meine.
    * * *
    Die Nacht brach über der Insel des Blutes herein, doch keine Dunkelheit drängte auf meine Augen ein. Es waren jetzt die Augen Gottes, und nichts war vor mir verborgen, nicht das kleinste Materieteilchen. Ich konnte durch die Berge sehen. Ich konnte deutlich bis zum brennenden Herzen der Erde sehen. Der Wind trieb die Wolken fort, und die Sterne waren eine Armeslänge entfernt; wenn ich wollte, könnte ich nach oben greifen und sie vom Himmel pflücken. Ich war ohne Gefühl; es gab nichts, was ich nicht fühlte. Ich spürte die Infektion sich in meine Zellwände schlängeln, Wohnsitz nehmen in den Synapsen meines Gehirns. Es gab keinen Laut, den ich nicht hörte. Ich hörte das Flügelschlagen eines Schmetterlings auf einer englischen Wiese und das leise Singen von Mrs Bates für ihren Sohn.
    Ich hielt immer noch das Messer. Ich würde nicht auf den Moment warten, von dem der Doktor gesagt hatte, dass er kommen würde – wenn alle anderen tot oder davongelaufen sind, wendet er sich gegen sich selbst und frisst von seinem eigenen Körper  …
    »Es tut mir leid, Dr. Warthrop!«, wimmerte ich. »Es tut mir leid, Sir!« Ich hatte ihn im Stich gelassen, und ich hatte ihn gerettet. Ich war in die Dunkelheit hinabgestiegen, damit er im Licht leben konnte.
    Ich glaube, du bist ganz schön oft einsam.
    Ich legte das Messer hin und suchte in meiner Tasche nach ihrer Fotografie.
    Es ist ein Talisman , hatte sie gesagt, und damit du dich nicht so einsam fühlst .
    Ich nahm sie vorsichtig aus der Tasche; sie war nass und das Papier weich geworden. Das letzte Mal, als ich Lilly gesehen hatte, hatte ich das Bedürfnis verspürt, sie zu küssen. Manche von uns lernen nie den Unterschied zwischen Bedürfnis und Eingebung.
    Ich hob das Messer wieder auf. In der einen Hand Awaales und in der andern Lillys Geschenk.
    Ich glaube, du bist ganz schön oft einsam.
    * * *
    Ich hörte sie kommen, lange bevor ich sie sah. Ich hörte die Knochen der Erde unter ihren Füßen brechen und knirschen, und ich hörte ihren schwerfälligen Atem, und ich hörte ihre bangen Herzen in dem Raum zwischen ihren Rippen. Ich drehte den Kopf und sah zuerst Kearns, und seine Stimme war nur einen Fingernagelbreit von meinem Ohr entfernt: »Hier, Pellinore, ich habe ihn gefunden!« Er warf sich das Gewehr über die Schulter und eilte herüber, und dann sah ich den Doktor, der am Rand des Wassers vorbeirannte, und seine Hand schoss vor und stieß Kearns aus dem Weg.
    »Fassen Sie mich nicht an!«, schrie ich. »Es ist zu spät, Doktor, zu spät, fassen Sie mich nicht an, zu spät!«
    »Ich hab Ihnen ja gesagt, dass eins der Scheißdinger ihn erwischt hat!«, sagte Kearns, und der Monstrumologe verfluchte ihn und sagte ihm, er solle ruhig sein.
    Er öffnete seine Instrumententasche, zog ein Paar Handschuhe an, wobei er mir die ganze Zeit zumurmelte und mir sagte, ich solle mich entspannen, ruhig bleiben, er sei jetzt ja da, und er habe sein Versprechen nicht vergessen, und ich fragte mich, von welchem Versprechen er redete, während er meinenPuls fühlte und mir in die Augen

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