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Der Montagsmann: Roman (German Edition)

Der Montagsmann: Roman (German Edition)

Titel: Der Montagsmann: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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wutverzerrter Miene zu Raphaela um, die ihn sonnig anlächelte und ihm die Wange tätschelte. »Du bist so süß, wenn du böse bist!«
    Isabel fand ihn nicht süß, sondern unheimlich, und sie fragte sich nicht zum ersten Mal, seit sie die beiden kennen gelernt hatte, was für eine schräge Nummer hier ablief.
    Sie stieg aus, obwohl ein Impuls sie dazu zwingen wollte, sitzen zu bleiben. Sie überlegte, woher diese merkwürdige Anwandlung kam, aber erst, als sie sah, wie Raphaela sitzen blieb und lässig darauf wartete, dass Giulio ihr die Tür aufriss, erkannte sie, was es damit auf sich hatte. Sie war ebenfalls daran gewöhnt, dass andere Leute ihr die Wagentür aufhielten oder ihr sogar aus dem Auto heraushalfen. Männer natürlich.
    Ein Handy klingelte, und Giulio zog ein Telefon aus der Hosentasche seines Anzugs.
    »Pronto« , sagte er. Er lauschte kurz, und dann gab er einen italienischen Wortschwall von sich. Isabel horchte kurz auf – und merkte, dass sie außer vereinzelten Wortfetzen nichts verstand. Sie wusste zwar, dass es Italienisch war, aber sie war mit der Sprache nicht vertraut. Französisch konnte sie ziemlich gut, Englisch ebenfalls, das hatte sie vorgestern in einem Dialog mit einer Krankenschwester ausprobiert, die beide Sprachen beherrschte. Aber Italienisch gehörte nicht zu ihrem Repertoire.
    Sie verlor das Interesse an dieser Thematik und konzentrierte sich wieder auf den Gedankengang, der vorhin durch das Handyklingeln unterbrochen worden war.
    Der Wunsch, sich aus dem Auto helfen zu lassen. Die Schuhe, das Kleid, der Ring. Und der sofortige emotionale Zugang zu allem, was die Reichen und Schönen dieser Welt zu tun und zu lassen pflegten. Natürlich gab es für all das nur eine Erklärung.
    »Ich bin reich und verwöhnt«, sagte sie halblaut.
    Raphaela drehte sich zu ihr um. »Das habe ich sofort gesehen, schon an dem Ring und den Schuhen. Aber sag das lieber nicht, wenn Giulio es hören kann. Dann will er sofort Geld sehen.«
    »Was hast du gesagt, mein Engel?« Giulio hatte sein Telefonat beendet und steckte das Handy wieder ein.
    »Nur, dass wir uns hier mal ein bisschen umsehen wollen. Sieht doch schon ganz gut aus, oder?«
    Dem mochte Isabel nicht zustimmen. Der Platz vor dem alten Landsitz war zwar weiträumig, aber insgesamt rief er den Eindruck hervor, als würde zur Vervollständigung der Optik nur noch eine Horde von Häftlingen fehlen, die man zum Hofgang rausließ.
    Mit grobem, teilweise geborstenem Kopfsteinpflaster belegt und von hervorsprießendem Unkraut überwuchert, war er zudem nicht gerade der geeignete Untergrund für einen Fußmarsch auf hohen Absätzen.
    Isabel schloss kurz, aber konzentriert die Augen und öffnete sie dann wieder, als könnte sie auf diese Weise die ausgefallenen Synapsen in ihrem Gehirn reaktivieren. Doch es tat sich nichts. Sie hatte nicht den Hauch einer Erinnerung an das, was sie um sich herum sah.
    »Da bin ich ja direkt gespannt, wie es drinnen ist«, meinte Raphaela in süffisantem Ton.
    Ich nicht, dachte Isabel. Sie begann sich zu fragen, wie genau sie sich diese beschützende Wohngemeinschaft, von der Doktor Mozart gesprochen hatte, wohl vorzustellen hatte. Auf keinen Fall so fragwürdig wie dieses Ambiente hier. Sie hätte die Idee nicht so voreilig abtun sollen.
    Raphaela ging mit schwingenden Hüften auf den Haupteingang zu, und Giulio folgte ihr wie ein treuer Dackel. Der Eindruck hündischer Ergebenheit wurde nur ein bisschen dadurch beeinträchtigt, dass er hin und wieder ihren Hintern tätschelte.
    Isabel stöckelte notgedrungen auf ihren hohen Schuhen hinter den beiden her, darauf bedacht, nicht mit ihren Absätzen in jeder Ritze hängen zu bleiben.
    Der Eingang bestand aus einem gewaltigen Holztor, das zu Isabels Überraschung bereits restauriert war, das erste Anzeichen von Erneuerung, das sie seit ihrer Ankunft hier wahrnehmen konnte. Die Löcher im Holz waren ausgebessert, und es glänzte vor frischer Politur.
    Auch in der Halle, die sich dahinter auftat, waren deutliche Anzeichen einer Modernisierung zu erkennen. Die Mauern waren frisch verputzt und geweißt, die Holzbohlen an den hohen Decken und Wänden abgezogen und die Granitplatten des Bodens sorgfältig gereinigt.
    Weitere Arbeiten waren offensichtlich in vollem Gange, denn Hämmern, Bohren und das Heulen von Schwingschleifern erfüllten die Halle bis in den letzten Winkel. Zur Rechten stand eine zweiflügelige Tür offen und gab den Blick auf einen großen,

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