Der Montagsmann: Roman (German Edition)
war.
»Nett hier«, sagte Isabel. Sie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Hier gab es nichts, das auch nur den Hauch einer Erinnerung in ihr wachgerufen hätte. Sie ging zu dem geschwungenen Bauernschrank und öffnete ihn. Er war leer.
Natascha zeigte in die Runde. »Deine persönlichen Sachen hattest du natürlich alle mitgenommen.«
»Natürlich«, sagte Isabel entnervt. »Hatte ich zufällig mal erwähnt, wo ich nach … nach meinem Streit mit Fabio hingezogen bin?
»Kein Sterbenswörtchen.«
»Und warum war ich danach noch einmal hier?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, weil du dich mit ihm versöhnen wolltest.«
»Dieser Streit – war er sehr schlimm?«
»Fabio war schon ganz schön sauer auf dich«, sagte Natascha.
Isabel schluckte und weigerte sich, darüber nachzudenken, was ihr in dem Fall leicht fiel, da sie sich sowieso an nichts erinnern konnte.
Im Moment, so fand sie, gab es wichtigere Dinge, über die sie sich den Kopf zerbrechen musste.
»Ich habe überhaupt nichts anzuziehen.«
Natascha musterte die Manolo Blahniks. »Stimmt, das ist so gut wie nichts.«
Isabel trat von einem Fuß auf den anderen und zupfte an ihrem Kleid. »Im Krankenhaus haben sie es gereinigt, aber die Blutflecken sind nicht rausgegangen, und die Löcher natürlich auch nicht.«
»Keine Sorge, ich kümmere mich darum. Dieses Zeug kannst du bei der Arbeit sowieso nicht tragen.«
Konsterniert blickte Isabel auf. »Bei der Arbeit? Bei welcher Arbeit?«
»Ach ja, du erinnerst dich natürlich nicht mehr dran, dass du quasi hier der gute Geist warst. Aber das macht nichts. Es gibt Dinge, die der Mensch niemals verlernt. Vor allem nicht die einfachen.«
Isabel spürte eine grässliche Vorahnung. »Welche Dinge meinst du genau?«
»Schätzchen, ich meine deinen Beruf.«
»Was habe ich denn beruflich gemacht?«
»Na, kochen, putzen, Staub saugen, bügeln – nur um mal ein paar Beispiele zu nennen.«
»Ich habe … was ?«, stotterte Isabel. »Du meinst, das ist mein …«
»Dein Job, ganz recht. Du bist eine ganz erstklassige Haushaltshilfe.«
D u hast komplett den Verstand verloren«, sagte Fabio. »Falls du vorher überhaupt welchen hattest.«
»Aber hallo«, sagte Natascha beleidigt. »Was glaubst du wohl, für wen ich das gemacht habe? Wir wollen in ein paar Wochen eröffnen, und uns fehlt Hilfe an allen Ecken und Enden! Sie ist gesund und kräftig und hat zwei Hände, mit denen sie anpacken kann. Jedenfalls so lange, bis sie sich wieder erinnert. Warum sollen wir wichtige Ressourcen brachliegen lassen?«
»Ressourcen? Woher hast du das Wort schon wieder?«
»Aus Wer wird Millionär «, sagte Harry.
Natascha warf ihm einen giftigen Blick zu, doch er hob nur die Schultern und grinste.
Er saß auf einem Hocker vor der alten Harfe, die sie beim Renovieren in irgendeinem Winkel gefunden hatten, und zupfte daran herum. Das Ding war ziemlich morsch, und soweit Fabio es überblicken konnte, fehlten etliche Saiten, und einige der vorhandenen waren locker, aber denen, die festsaßen, entlockte Harry überraschend melodische Klänge.
»Wir tun nur ein gutes Werk«, sagte Natascha. »Erstens weiß das arme Ding doch gar nicht, wo es hin soll. Und zweitens würde sie nur Trübsal blasen, wenn sie tatenlos rumhängen müsste. Das täte sie garantiert, wenn wir ihr nichts zu tun geben. Und du musst zugeben, dass sie sich wirklich nicht allzu blöd anstellt.«
Fabio unterdrückte ein Schnauben. »Das kann nicht dein Ernst sein! Und das Größte ist, dass du ihr außerdem noch erzählt hast, sie wäre Köchin!«
»Hilfsköchin«, korrigierte Natascha. »Zugegeben, das Gemüseputzen muss sie noch üben. Aber Wein dekantiert sie wie keine Zweite.« Sie hob ihr Rotweinglas und prostete Fabio zu. »Jetzt mach nicht so ein griesgrämiges Gesicht, sondern freu dich lieber, dass du vorläufig Ruhe vor der Mafia hast!«
Damit hatte sie einen Punkt angesprochen, gegen den er nicht viel sagen konnte. Fabio trank einen Schluck aus seinem eigenen Glas und überlegte hin und her, doch es gab nichts daran zu deuteln, dass die Erleichterung über Giulios momentane friedliche Phase eine Menge Unannehmlichkeiten aufwog. Er war bereit, deswegen alles Mögliche auf sich zu nehmen, vielleicht sogar diese dämliche Scharade, die Natascha eingefädelt hatte.
Fabio seufzte und streckte die Beine von sich. Sie saßen zu dritt in einem weitläufigen Zimmer innerhalb des Wirtschaftstraktes, das er für sich und die
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