Der Montagsmann: Roman (German Edition)
irgendwie war sie auf einmal da«, stammelte Harry errötend.
»Aha.« Raphaelas Blick wurde scharf. »Wann war das?«
»Uh … Ja, wann?« Harry wandte sich Hilfe suchend an Isabel. »Wann war es gleich?«
Sie starrte ihn erzürnt an. »Soll das jetzt eine ernsthafte Frage sein, oder was?«
»Oh, sorry, ich hab’s vergessen. Ich meine, ich hab nicht mehr dran gedacht, dass du es vergessen hast.« Er dachte nach und legte den Finger an die Nase. »Ich hab’s. Es war auf jeden Fall nach Ostern.«
»Das ist noch nicht so lange her«, stellte Raphaela fest. »Ostern war vor vier Monaten. Wieso wollte er sich so schnell schon wieder von ihr trennen?«
»Vielleicht wollte ich mich ja trennen!«, sagte Isabel patzig. Sie hatte das Gefühl, unbedingt widersprechen zu müssen.
Harry starrte zuerst sie, dann Raphaela an. »Ähm – ehrlich gesagt, so genau weiß ich das auch nicht. Mit mir hat niemand drüber gesprochen.«
»Ich weiß es«, sagte eine Frauenstimme hinter Isabel.
Sie drehte sich um und sah eine dralle, kunstvoll geschminkte Rothaarige in der Tür zum Gang stehen. Sie trug ein paillettenbesetztes T-Shirt zu engen Jeans und war um die vierzig. Ihr hübsches rundes Puppengesicht war zu einem fröhlichen Lächeln verzogen.
»Hallo, Liebes«, sagte sie freundlich zu Isabel.
»Tut mir Leid, aber ich kenne Sie nicht.«
»Ich weiß, du armes Ding. Du kennst ja niemanden mehr. Aber das ändern wir ganz schnell, verlass dich darauf. Dafür werde ich persönlich sorgen. Das mache ich mir zur Aufgabe. Und wenn ich mir erst etwas zur Aufgabe gemacht habe, dann können wir sicher sein, dass bald wieder alles im Lack ist. Ich bin übrigens Natascha. Das ist zwar mein Künstlername, aber der tut’s für alle Gelegenheiten.«
»Warum wollte ich mich von Fabio trennen?«, fragte Isabel mit angehaltenem Atem. Sie blickte nervös in die Runde.
»Ich geh dann mal wieder, ich muss noch die Vorräte einräumen.« Harry verschwand hastig im Nebenraum.
»Nur ein kleiner Streit unter Liebenden«, sagte Natascha. »Nichts, was sich nicht wieder geradebiegen lässt.«
»Na, seht ihr«, meinte Giulio. »Ich wusste doch, dass es absolut harmlos war. Komm, wir gehen.« Giulio packte Raphaela beim Arm, und diesmal ließ seine Miene keinen Zweifel daran, dass er nicht zum Nachgeben bereit war.
Beim Verlassen der Küche warf er Natascha einen Blick zu, der so tödlich kalt war, dass ein sensiblerer Mensch vermutlich zu Eis erstarrt wäre, doch Natascha zuckte nur mit den Achseln und wandte sich ab.
I sabel ließ den angehaltenen Atem entweichen. »Mein Gott, was für ein unheimlicher Typ!«
»Das kannst du laut sagen, Kindchen.«
»So, wie er aussieht und wie er redet … Mir kommt er vor wie so eine Art Pate. Sie wissen schon.«
»Klar weiß ich’s.«
Isabel war entsetzt. »Sie meinen – er ist einer? Ein richtiger Verbrecher?«
»So sieht es aus.«
»Und diese … Raphaela … Wie kann sie nur …?«
»Wo die Liebe hinfällt«, sagte Natascha.
»Vielleicht hat er Qualitäten, die nicht jedem sofort ins Auge fallen«, stimmte Isabel beklommen zu. Sie wollte sich nicht länger mit diesem italienischen Paten befassen, sondern endlich ihrer Vergangenheit auf die Spur kommen.
»Sie scheinen einiges über mich zu wissen«, begann sie.
Natascha schien noch nicht bereit, ein Frage- und Antwort-Spiel zu beginnen. »Nenn mich Natascha und sag du zu mir. Wieso haben die beiden dich eigentlich hergebracht?«
»Weil Fabio schon wieder weg war. Eigentlich sollte er mich vom Krankenhaus abholen und mit … nach Hause nehmen. Das haben dann die zwei erledigt. Und da bin ich.«
»Ach so.« Natascha senkte die Lider. »Was haben sie denn so gesagt?«
»Nicht viel.«
»Was denn genau?«
Isabel dachte nach. »Dass Giulio Geld sehen will. Von Fabio?«
»Das kann man so oder so sehen«, meinte Natascha zerstreut. »Komm mit, ich zeige dir dein Zimmer.«
I sabel sah sich stirnrunzelnd um. Das Zimmer war einigermaßen geräumig und komplett renoviert. Es begeisterte sie nicht gerade, aber es war auch nicht so schlimm, dass es Fluchtinstinkte in ihr auslöste. Es war … nett. Ja, nett war die richtige Beschreibung.
Vor den Fenstern hingen cremefarbene Vorhänge mit einem dezenten Muster, das sich in den Tapeten wiederholte. In der Mitte des Raums stand ein gewaltiges Himmelbett mit freundlich geblümter Bettwäsche, die vom Stil her zu den liebevoll restaurierten Bauernmöbeln passte, mit denen das Zimmer eingerichtet
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