Der Montagsmann: Roman (German Edition)
Buckel fehlte.
»Wie hieß er noch gleich?«, murmelte Isabel, frustriert, weil der Name ihr nicht sofort einfiel.
»Giulio Caprini«, sagte der Typ.
»Nein, Quasimodo«, widersprach Isabel, die sich soeben wieder erinnert hatte. »Sie wissen schon – Anthony Quinn. In dem Film.«
Giulio blieb in der Mitte des Zimmers stehen. »Sekunde mal. Ich kenne den Film. Soll das eine Beleidigung sein?«
Die Frau schwebte an ihm vorbei ans Bett. »Hören Sie nicht auf ihn. Ich weiß, dass ich wie die Lollo in ihrer Jugend aussehe, und er zieht immer die falschen Schlüsse daraus, wenn ich die Leute an die Esmeralda aus dem Glöckner erinnere.« Sie reichte Isabel die Hand.
»Tut mir Leid, aber ich habe mein Gedächtnis verloren«, sagte Isabel höflich. »Falls ich Sie von früher kennen sollte, ist das leider weg.«
»Wir kennen uns nicht. Deswegen bin ich ja mit Giulio hergekommen. Um das zu ändern.«
Sie lächelte mit schneeweißen Zähnen. »Hallo. Ich bin Raphaela.«
Sie musterte Isabel mit neugierigen Blicken. »Tatsächlich. Ganz anders als sein üblicher Geschmack. Blond, blass, klein und so klapprig, dass der Wind Sie wegwehen könnte.«
»Danke für die Blumen«, sagte Isabel.
»Wir wollen Sie nach Hause bringen«, sagte Giulio. »Zu Ihrem Verlobten.« Er dachte kurz nach. »Wir sollten uns duzen. Er ist mein Cousin. Und ihr seid verlobt. Also sind wir praktisch schon verwandt.«
»Eigentlich glaube ich nicht, dass er noch mein Verlobter ist. Wir wollten uns trennen.«
»Trennen?«, rief Giulio aus. Er blähte sich auf wie ein Blasebalg, und in seinem Gesicht breitete sich ungesunde Röte aus. »Davon hat dieser Scheißkerl nichts gesagt!« Er starrte Isabel bohrend in die Augen. »Warum?«
»Keine Ahnung. Vielleicht, weil es eine Privatangelegenheit ist. Solche Dinge erzählt man nicht gerne überall rum.«
»Ich glaube, Giulio will nicht wissen, warum Fabio ihm nichts davon gesagt hat, sondern er möchte gern erfahren, warum ihr euch trennen wolltet«, sagte Raphaela.
»Das finde ich genauso privat. Außerdem weiß ich es nicht. Schließlich habe ich eine Amnesie.«
Giulio wirkte verblüfft, dann grinste er. »Dann ist ja alles in Ordnung. Ihr fangt noch mal von vorne an. Bei null sozusagen.« Er brach in Gelächter aus. »Das war gerade gut, oder? Bei null! Bei null !«, wiederholte er trompetend, als müsste er den Witz einer Versammlung vertrottelter Schwerhöriger begreiflich machen. Raphaela begleitete sein Getröte mit ihrem Kichern. Offenbar amüsierten die beiden sich prächtig zusammen.
»Na schön«, sagte Isabel, der es allmählich reichte. »Was kann ich sonst noch für Sie beide tun, außer, Sie zum Lachen zu bringen?«
»Aber ich dachte, das wäre klar.« Giulio stellte sein Wiehern ein und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. »Steh auf und pack dein Täschchen. Und dann geht es los. Auf nach Hause.«
Z uhause? War es das wirklich? Isabel saß im Fond von Giulios Protzlimousine und starrte das Gebäude an, als könnte es beißen, wenn man ihm zu nahe kam.
Das Ding sah aus wie eine Filmkulisse, aber nicht für einen Film wie Die Guldenburgs , sondern eher für einen Gruselschocker aus der Reihe Outer Limits .
Es gab im rückwärtigen Bereich sogar noch Reste einer Wehrmauer, die an einem kleinen Turm endete. Der wiederum war kaum mehr als eine Ruine, mit bröckelnden Fensteröffnungen und eingefallenen Rändern. Das große Hauptgebäude mit seinen spitzgiebeligen Erkern und Ecktürmchen schien etwas besser in Schuss zu sein, jedenfalls besaß es Fenster und eine Dacheindeckung, die aussah, als wäre sie weniger als zweihundert Jahre alt.
Über die Mauern wuchsen Geißblatt und wilder Wein, der sich malerisch an der Fassade emporrankte und vermutlich das Schlimmste überdeckte.
»Na ja, ich hatte schon gehört, dass es ziemlich runtergekommen ist«, sagte Raphaela. Sie saß auf dem Beifahrersitz und beschattete die Augen mit der Hand. »Aber dass es so schlimm ist … Dieses Ding hat nicht viel Ähnlichkeit mit dem Schwarzen Lamm . Da hat er sich ja wirklich was vor die Brust genommen!«
»Das Schwarze Lamm?« , fragte Isabel. »Kommt mir irgendwie bekannt vor.«
»Das war das Restaurant, das er davor hatte«, erklärte Raphaela. »Als er noch mit mir zusammen war.«
»Ich will nicht, dass du davon redest.« Giulio brachte den Wagen abrupt zum Stehen. »Du musst deine Vergangenheit hinter dir lassen! Mach es wie sie! Vergiss ihn einfach!« Er wandte sich mit
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