Der Montagsmann: Roman (German Edition)
knirschte und tat einen dumpfen Schlag, sie merkte, wie sie ein Stück weit vorwärts auf Kinn und Knien die Treppen runterrutschte, und sie fand die Haltung für einen Sturz ebenso absurd wie schmerzhaft. Dann wurde sie schneller, und ihre Arme und Beine breiteten sich wie die Glieder eines Kraken nach allen vier Seiten aus, als könnte sie so wieder Halt gewinnen.
Das ist aber wirklich ein Sturz, dachte sie. Muss bescheuert aussehen. Wenn das jetzt einer mitkriegt, würde er sich schief lachen.
Dann knallte ihr Hinterkopf gegen eine der Stufen, und es dröhnte, als hätte jemand mit einem Gummihammer auf eine leere Holzkiste geschlagen.
Oje, jetzt hat es mich aber richtig erwischt, schoss es ihr durch den Kopf.
Das war der letzte Gedanke, bevor alle Wahrnehmungen in der Dunkelheit versanken.
H arry, ich habe den Arzt bestellt«, sagte Fabio.
Harry richtete sich hustend im Bett auf. »Du liebe Zeit! Wieso das denn?«
»Natascha hat gesagt, dass du hohes Fieber hast.«
»Woher will die das wissen?«
»Sie hat gesagt, sie hat gemessen, und du hast mindestens vierzig Grad Fieber.«
»Blödsinn, Alter«, krächzte Harry. »Sie hat versucht, meinen Bauch anzufassen und mir so ein bescheuertes Thermometer ins Ohr zu schieben, aber ich habe sie rausgeschmissen. Es geht mir super.«
Harry schaute Fabio aus Augen an, die so trüb waren, als würde er auf dem Grund eines metertiefen Teichs liegen.
»Du hast definitiv Fieber, dazu brauche ich nicht mal deinen Bauch anzufassen. Du bist so krank, dass du aussiehst wie dein eigener Opa.«
»Meine Opas sind beide tot.«
»Sag ich doch. Besser, der Arzt schaut nach dir.«
»Alter, ich hasse Ärzte.«
»Zu spät. Er ist bestellt, und es wird nicht lange dauern, bis er hier ist.«
»Schick ihn weg. Oder noch besser, mach ihm gar nicht erst auf.«
»Das sehen wir dann. Hm, dir ist heiß, oder?«
»Heiß ist kein Ausdruck«, sagte Harry, der rot war wie ein Hummer und vor Schweiß nur so triefte. »Ich koche sozusagen. Aber es ist kein Fieber, klar?«
Fabio blickte unschlüssig auf das Fenster in der schmalen Kammer. Er überlegte, ob er es öffnen sollte, denn die Luft hier drin war zum Schneiden dick und so abgestanden, dass auch der Gesündeste bald in Ohnmacht fallen würde. Andererseits war es eines von den Fenstern – den vielen Fenstern! –, die noch nicht erneuert worden waren. Jeder Versuch, es aufzumachen, konnte dazu führen, dass es schlicht aus den Angeln gerissen wurde. Dann war es zwar offen und die Luft wunderbar frisch, aber das Zimmer hatte kein Fenster mehr. Jedenfalls keines, das man wieder schließen konnte, falls es einem hier drin zu kalt wurde.
Er beschloss, die Tür zum Gang offen zu lassen, das würde für ausreichend Frischluftzufuhr sorgen. Die Fensterfirma hatte für nächsten Mittwoch ihr Kommen zugesagt, er würde sich einfach darauf verlassen, dass sie den Termin einhielten. Bisher hatte das noch keine Firma geschafft, nicht mal der Küchenmonteur, obwohl der sich eine goldene Nase an ihm verdient hatte, aber Fabio gab die Hoffnung nicht auf. Bald würde dieser Laden stehen wie eine Eins, sämtliche Handwerker und Lieferanten würden spuren, und alle Welt würde sich drum reißen, in seinem Restaurant einen Platz zu kriegen.
»Kann ich dir was holen, bevor der Arzt kommt? Vielleicht einen O-Saft oder ein paar Zwiebäcke?«
Harry nieste, dann nickte er. »Vergiss den Zwieback, aber O-Saft klingt gut. Nimm ein großes Glas. Zwei Fingerbreit Saft und dann Wodka bis oben hin.«
»Ich denke nicht, dass sich das gut für jemanden eignet, der Grippe hat.«
»Du kannst ja eine Scheibe Zitrone reinlegen, das sind zusätzliche Vitamine.«
Von nebenan kamen ein Rumpeln, ein rhythmisches Quietschen und dann ein weibliches Stöhnen.
»Was war das denn?«, fragte Fabio. »Kam das nicht eben aus der Hochzeitssuite?«
»Oh, ich bilde es mir nicht nur ein?«, meinte Harry. »Ich dachte, es wäre meine Fieberfantasie, dass sich neben mir zwei Leute das Hirn aus dem Kopf vögeln.«
»Du hast doch gesagt, du hättest kein Fieber.« Fabio ging zur Tür und schob seinen Kopf hinaus in den Gang.
»Stimmt. Aber Fantasie.«
»Das da nebenan ist so eindeutig, dafür braucht man nicht viel Fantasie.«
Harry hustete. »Haben wir etwa Gäste?«
»Falls ja, dann sind es welche, die sich selbst eingeladen haben.«
Fabio horchte kurz, dann trat er in den Flur und ging ein paar Meter weiter, bis er vor der Hochzeitssuite stand. Hier war der Lärm
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