Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
herum und steckt den Inhalt in seinen Beutel: Broschen, Ringe und Ketten. Und eine große, schwere Taschenuhr, die bestimmt aus Gold ist. Er reißt die Nachttischschublade heraus, die ist voll von Medikamenten, Haarnadeln und Münzen. Er öffnet einen Kleiderschrank und zieht die Kleidungsstücke heraus, bildet sich ein, daß sie hier ihr Geld versteckt hat. Daß sie es gern in der Nähe hat, wenn sie schläft. Er findet eine rosa Toilettentasche und reißt sie auf. Freude durchströmt ihn, denn hier ist es, hier ist das Geld, ein unglaublich dickes Bündel. Er stopft es in die Parkatasche, er fühlt sich ungeheuer beschwingt. Er geht wieder in die Küche. Harriet liegt wie ein geschlachtetes Tier auf dem Boden. Ihr Körper ist so mager, so seltsam verdreht. Er sieht ihren Armreifen, aus Gold, bringt es aber nicht über sich, sie anzufassen. Er ist froh darüber, daß er ihr Gesicht nicht sieht, denn im Moment ist sein Leben widerlich, alles, was gewesen ist, das, was er getan hat. Er selbst ist widerlich, für seine Zunge fühlt sich die fehlende Ecke im Schneidezahn an wie eine scharfe scheußliche Kante. Er schiebt den Revolver unter seinen Parka, tritt einige Schritte zur Seite. Dabei achtet er nicht auf seine Füße, er tritt mit dem einen Absatz in die Blutlache und rutscht aus, hätte fast das Gleichgewicht verloren, fuchtelt wild mit den Armen, um sich auf den Beinen zu halten. Einen Augenblick lang bleibt er erst einmal still stehen, um sein Herz zur Ruhe kommen zu lassen. Jetzt gleich muß er sich wieder unter Menschen begeben, da muß er ruhig wirken. Gesammelt, sicher und entschlossen. Er geht in die Diele und dreht den Schlüssel um, öffnet die Tür einen Spaltbreit, bleibt stehen und horcht. Ein Schatten huscht herein, etwas Schwarzes und Lautloses, er fährt zusammen. Sie hat eine Katze, wird ihm klar, die hat draußen gewartet, jetzt will sie ins Warme, ins Licht. Er geht wieder ins Haus, um zu sehen, was die Katze macht. Die Katze bleibt stehen und sieht den geschundenen Körper an. Miaut mehrere Male gedehnt. Dann geht sie zu ihrem Napf, um zu trinken. Er bleibt ratlos stehen und mustert die Katze. Sie hebt den Kopf und sieht ihn aus schmalen gelben Augen an. Er findet es seltsam, daß die Katze sich ganz normal verhält. Er geht wieder nach draußen, die Katze läuft hinterher, das begreift er nicht. Sie sitzt auf der Treppe und sieht ihn an. Er schließt die Tür, geht die Stufen runter, die Katze hängt an ihm wie ein Schatten. Er geht auf das Gartentor zu. Jetzt kommt bestimmt niemand, denkt er, ich werde keiner Menschenseele begegnen, und wenn doch, dann sehen sie nur eine dunkle Silhouette im Schneetreiben. Die Katze folgt ihm einige Meter weit, dann bleibt sie stehen. Schnell tritt er auf die Straße.
Er schaut die ganze Zeit über seine Schulter, als er durch den Schneematsch stapft. Aber er sieht niemanden, an diesem Abend ist in der Fredboes gate wirklich keine Menschenseele unterwegs. Er sieht in den Wohnzimmern die Fernsehschirme blau flackern, er sieht dunkle Schatten hinter den Fenstern. Alle sind mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt. Er erreicht das Hotel und läuft in den Hinterhof, wischt den feuchten Schnee von der Windschutzscheibe. Es gibt überall so viele Spuren, das war doch nicht so, als er gekommen ist? Er schließt die Autotür auf. Wirft das Silber auf den Sitz, läßt den blutigen Revolver auf den Boden fallen. Sein rechter Arm ist müde, er hat die Schulter gezerrt. Er reibt die schmerzende Stelle, sitzt im Wagen und atmet schwer, weiß, daß er weg muß aus Hamsund, bleibt aber trotzdem sitzen. Sein Herz hämmert gewaltig, aber es läßt sich nicht zur Vernunft bringen, es arbeitet eifrig in hohem Tempo, und er spürt, wie die Hitze ihm in den Kopf steigt. Er versucht, mit offenem Mund zu atmen. Legt den Kopf in den Nacken, reißt den Mund auf. Luft in die Lunge, denkt er, Luft durch den ganzen Körper. Wenn er nur aus Hamsund wegkommt, wenn er nur nach Hause kommt, dann wird alles gut werden. Mein Haus, denkt er verzweifelt, mein Sessel, mein Bett. Das kühle Kissen am Gesicht. All das, was mein Leben ausmacht, so wie vorher. Kann er das schaffen, kann er damit leben? Daß sie sich aber auch so aufgeführt hat, sie hätte ihn doch in Ruhe lassen und damit ihren Kopf retten können. Im tiefsten Herzen weiß er, daß er auf dem Weg dahin war. Er hat es die ganze Zeit gewußt, es bohrt sich wie ein Stachel in sein Bewußtsein. Er lehnt den Kopf an die
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