Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
zuzureden, und reißt seinen Körper los. Dreht den Hahn auf und stellt sich unter den Wasserstrahl. Dann schließt sich endlich das Loch in seinem Kopf und das heiße Wasser fließt. Sie ist tot, denkt er, das ist meine Schuld. Aber ich konnte es nicht verhindern, sie war hysterisch. Sie hat mich angegriffen wie ein wütender Terrier, ich bin zusammengezuckt, ich hatte Angst, ich habe die Beherrschung verloren. Aber ich wollte es nicht, es war nicht geplant, kaltblütig war ich noch nie. Nie. Er will, daß das Wasser über ihn hinwegspült, daß es heiß und lindernd fließt. Er steht lange da und ruht sich aus, steht mit gesenktem Kopf da. Verläßt die Dusche, zieht einen Bademantel an. Hebt den Parka hoch und nimmt das Geld aus der Tasche. Sein Herz schlägt schneller, es ist viel Geld, viel mehr als er gehofft hatte. Er setzt sich mit dem Geld auf dem Schoß in den Sessel, fängt an zu zählen. Das ist schwierig, denn seine Finger zittern. Seine Augen werden groß. Die Scheine sind trocken und glatt zwischen seinen Fingern, jede Menge Tausender. Er zählt jeweils zehn ab und legt sie auf den Tisch. Zweihundertzwanzigtausend.
Er rennt zum Telefon, steht mit den Scheinen in der Hand da und wählt die Nummer von Bjørnar Lind. Es ist spät, aber er kann nicht warten. Er drückt das Geld in seiner Hand zusammen und hört den Klingelton. Einmal, zweimal, es klingelt eine Ewigkeit. Aber niemand hebt ab. Er ist enttäuscht wie ein Kind, er muß auflegen, ohne sein Anliegen vorgebracht zu haben. Er legt das Geld in die Schreibtischschublade. Geht in die Küche und kocht Kaffee, zieht einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor, setzt sich und trinkt den Kaffee mit Zucker. Sie ist tot, und das ist meine Schuld. Sie liegt noch immer da, jetzt ist Nacht, niemand weiß, was geschehen ist. Er kann nicht still sitzen, so viel muß getan werden. Er versucht, sich langsam durch die Wohnung zu bewegen, es ist wichtig, Ruhe zu bewahren. Aber er hat keine Ruhe, die Gedanken laufen schneller als sein Körper. Dann beugt er sich über das Spülbecken und schrubbt den Revolver mit einer Nagelbürste. Dünnes Blutwasser läuft in den Abfluß. Er holt die Gummimatte aus dem Auto und reinigt sie gründlich. Am Ende nimmt er Klorin, gießt es aus der Flasche, denkt, daß es alle Spuren beseitigt. Seine Kleidung muß er wegwerfen, oder vielleicht kann er sie im Ofen verbrennen. Er läuft durch das Haus und räumt auf, er versteckt den Beutel mit dem Silber an einem Ort, den er für sicher hält. Er versteckt die Tüte mit der blutigen Kleidung in einer Abstellkammer, zusammen mit dem Revolver. Er will ins Bett, hat aber Angst, etwas zu vergessen. Er läuft von Zimmer zu Zimmer, vom Wohnzimmer in die Küche, von der Küche ins Badezimmer, ein verwirrtes Geschöpf mit brennenden Augen. Er redet sich voller Strenge zu, versucht die Regie zu übernehmen. Niemand hat den Zusammenstoß gesehen, niemand hat gesehen, daß er zu dem Haus gegangen ist, niemand hat gesehen, daß er wieder verschwunden ist. Niemand außer der Katze mit den gelben Augen. Endlich geht er ins Bett. Er holt das Geld aus der Schreibtischschublade und legt es auf den Nachttisch. Wenn mitten in der Nacht irgendwer kommt, kann er einfach mit den Scheinen winken und damit sein Leben retten. Bald wird er ein schuldenfreier Mann sein. Er tröstet sich mit diesem Gedanken, legt sich flach auf den Rücken und atmet in die Dunkelheit. Bleibt liegen und starrt zur Decke hoch. Hat Angst einzuschlafen. So ein Gefühl ist das also, denkt er, jetzt weiß ich, was das für ein Gefühl ist. Damit kann ich leben. Damit muß ich leben. Lieber Gott im Himmel, das wird hart. Er dreht das Gesicht zur Wand, wickelt sich in die Decke. Ich muß jetzt schlafen, denkt er, ich bin so müde. Muß weiter zum nächsten arbeitslosen Tag, weiter zum Rest des Lebens. Die ganze Zeit horcht er hinaus in die Dunkelheit. Ob jemand versucht, die Tür zu öffnen, ob er vor dem Fenster Schritte hört. Trotzdem macht der Zusammenstoß ihm Sorgen, und seine eigene geistesgestörte Reaktion. Der plötzliche Knall und der Ruck, der ihn durchfahren hat, verfolgen ihn die ganze Nacht hindurch.
PLÖTZLICH WIRD ER von einer heftigen Welle an Land gespült.
Er spürt die kühle Luft im Gesicht, er ist jählings und unerbittlich wach. Er hat das Gefühl, aus großer Höhe zu stürzen. Das erste, woran er sich erinnert, ist der Unfall. Es durchfährt ihn wie eine Lawine, als er an seine Wut denkt, und er wimmert wie in
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