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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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anderen Auto muß ein Fingerzeig Gottes gewesen sein, ein plötzliches Eingreifen, um ihn auf der Flucht anzuhalten und zur Rechenschaft zu ziehen.
    Bei Nachbar Erlandson brennt Licht, und dort, ein Schatten am Fenster. Es ist kurz vor elf, sein rechter Arm zittert. Ab und zu hört er ein heiseres Stöhnen, das von ihm selbst stammt. Er hat Harriet Krohn totgeschlagen, aber er denkt nur an den Zusammenstoß mit dem weißen Auto. Einem Toyota, glaubt er, einem Yaris. Der Zusammenstoß ist unverzeihlich. Seine Reaktion ist unerträglich. So führt sich nur ein Verrückter auf. Er reißt sich mit aller Kraft zusammen, schnappt den Beutel mit dem Silber und den blutigen Revolver, steigt aus und schließt das Auto ab. Seine Knie geben unter ihm nach. Er beugt sich über den Kotflügel und besieht sich den Schaden. Eine Beule, Reste von weißem Lack. Wenn es nur ein böser Traum wäre, dann wäre der Wagen heil und glatt. Verdammtes Wetter, denkt er, verdammtes elendes Leben, das ich nicht in den Griff bekomme. Wieder möchte er weinen, bringt aber nur ein jämmerliches Schluchzen zustande. Er wirft noch einen Blick zu Erlandsons Haus hinüber, aber jetzt steht dort niemand am Fenster. Er geht in sein eigenes Wohnzimmer, knallt die Tür hinter sich zu, läßt Revolver und Beutel auf den Boden fallen. Er streift den Parka ab, der bleibt wie ein kleiner Berg auf dem Boden liegen. Mit geschlossenen Augen bleibt er stehen, an die Wand gelehnt. Er hört seinen eigenen Atem und weiß, daß er lebt, daß die Erde sich weiterdreht. Auch wenn er in den Abgrund gefallen ist, bis auf den tiefsten Boden des Daseins. Seine Schläfen pochen, seine Wangen brennen. Er öffnet die Augen, sieht Möbel und Gegenstände an. Da ist das Bild von Inga Lill und Julie, er kann ihre Blicke jetzt nicht erwidern. Er krümmt sich zusammen, rauft sich plötzlich die Haare, zieht so hart daran, daß seine Kopfhaut weh tut, daß ihm die Tränen kommen. Er läßt die Schultern sinken, reißt sich wieder zusammen, setzt sich in seinen Sessel. In den guten roten Sessel. Er läßt sich zurücksinken. Ach, er ist so müde, so müde. Er versucht, seinen Atem in einen gleichmäßigen Rhythmus zu zwingen, das klappt. Jetzt ganz ruhig sitzen, atmen, ausruhen. Erst nach einer Ewigkeit erhebt er sich und geht ein paar Schritte. Er weiß, daß er sich selbst im Spiegel gegenübertreten muß. Statt dessen starrt er an sich hinunter, er sieht Blutflecken unten an seiner Hose. Entsetzt reißt er sich die Kleider vom Körper. Er geht ins Badezimmer, um zu duschen, er glaubt, daß das helfen wird, daß er dadurch vielleicht wieder er selbst werden kann. Kann er jemals wieder er selbst werden? Ist nicht eben erst die Tür ins Schloß gefallen und hat ihn aus allem ausgesperrt, er glaubt, einen Knall gehört zu haben. Er steht splitternackt im grellen Licht des Badezimmers. Aber dann ist da noch das mit dem Spiegel. Vielleicht sollte er der Tatsache, daß er getötet hat, gleich ins Auge blicken. Er nähert sich mit gesenktem Kopf, wieder schließt er die Augen. Ich weiß doch, wie ich aussehe, denkt er, kein Grund, daraus eine große Nummer zu machen. Er öffnet sie wieder, sieht sich gerade ins Gesicht. Seine Augen sehen seltsam aus. Sein Blick ist so weit weg, er trifft ihn aus weiter Ferne. Nachdenklich, ein wenig defensiv. Bin ich das wirklich? Lebe ich dieses Leben? Er stützt sich aufs Waschbecken. Das ist eigentlich zuviel für mich, denkt er, ich muß mich jetzt beruhigen, beruhige dich, Charlo! Er macht einen neuen Versuch, hebt den Kopf und sieht sich mit einem deutlich entschiedenen Blick an. Das ist besser, er sieht gelassen aus. Aber dann sind da diese grauen Augen, mit denen stimmt etwas nicht. Die Iris sieht metallisch aus. Er beugt sich bis zum Spiegel vor, sieht seine eigenen Pupillen. Die sind nicht ganz rund. Er runzelt besorgt die Stirn. Kann das möglich sein? Sind nicht alle Pupillen rund? Er beugt sich noch dichter zum Glas vor. Sie sind am Rand verschwommen, länglich, wie ovale Spalten. Aber so sehe ich dann wohl aus, denkt er. Das habe ich noch nie gesehen, wie seltsam das ist, wie widerlich. Es stößt ihn ab, macht ihm eine Gänsehaut. Er beugt sich noch einmal vor. Nein, die sind überhaupt nicht rund. Das stört ihn schrecklich, er kehrt dem Spiegel den Rücken zu. Bleibt so stehen, mit seinem schlaffen nackten Körper, winterbleich und behaart. Wieder erstarrt er, wieder versteinert er, kann sich nicht rühren. Er versucht, sich streng

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