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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Hammer nicht genug Schwung geben. Er möchte aufgeben, auf dem feuchten Boden liegenbleiben, bis jemand ihn findet und wegträgt. Er sinkt in sich zusammen und muß sich abermals ausruhen, er kann fast nicht glauben, daß er hier liegt und aus purer Verzweiflung zuschlägt. Er tastet mit der Hand, glaubt, daß er ein wenig geschafft hat. Zieht sich unter dem Wagen hervor, um nachzusehen. Es ist aber genauso schlimm wie vorher. Er sieht die weißen Streifen, die das andere Auto hinterlassen hat, und er denkt, daß Wagenlack sich sicher ausfindig machen läßt. Er rennt ins Haus, um ein Taschenmesser zu holen, stürzt wieder heraus, kratzt los. Er zieht die Klinge über das Metall, ein hartes Kratzen ist zu hören, er erreicht die matte Fläche darunter. Danach kann er mit Sandpapier schmirgeln und eine Dose Autolack kaufen, die Beule wird dann nicht mehr so auffallen. Ein Zusammenstoß ist kein Verbrechen, denkt er, und ist dankbar, weil er etwas tun muß, etwas ausrichten, so daß die Zeit vergeht. Er macht weiter, bis er keine Kraft mehr hat. Das zerkratzte Metall leuchtet ihm entgegen, aber jetzt macht er Schluß und geht ins Haus, setzt sich hin, um sich auszuruhen. Im Haus herrscht eine fremde Leere. Eine Art Hall, der ihm noch nicht aufgefallen ist, so, als fehlten hier Möbel. Er will, daß die Zeit vergeht, daß die Nacht kommt. Dann gehen die Leute schlafen, dann denkt niemand an ihn, dann sucht ihn niemand. Er hört die Wanduhr ticken und sein eigenes Herz unermüdlich schlagen. Jetzt ist die Bombe hochgegangen, alle Welt hat von Harriet gehört, warum ist es so still? Wird in den Ecken getuschelt, ohne daß er das hört? Müde knabbert er an einem Fingernagel, versucht festzustellen, wie ihm zumute ist. Eine Unsitte aus alten Zeiten, die ihn lange beansprucht. Er spielt mit dem Finger an dem abgebrochenen Zahn herum.

ER STEHT in der Küche und hält sich die Hand vors Gesicht. Er betastet den Nasenrücken und die trockenen Lippen, den breiten Kiefer, den er so gut kennt oder gekannt hat. Er bildet mit den Fingern ein Fensterchen und sieht hindurch, betrachtet das Zimmer in kleinen Ausschnitten, die Wände, die Möbel. Er sieht seine Füße. Er spürt, daß seine Brust sich hebt, und ihm ist klar, daß diese pulsierende Masse, die seinen Körper ausmacht, jetzt verdorben ist, überall befindet sich Schuld, in der rechten Hand, im Kopf, im Herzen. Nein, nicht im Herzen, er hat das nicht gewollt, hatte sich nicht einmal im Traum in diese Lage versetzt. Das tut kein Mensch, sie stürzen einfach ins Verderben. Er steht ganz still da und holt Luft, hält sein Gesicht fest, als sei es zu einer Maske reduziert, die herunterfallen wird, wenn er losläßt. Darunter gibt es nur rohes Fleisch und leere, schwarze Augenhöhlen. Wieder spürt er, wie seine Brust sich hebt. Auch wenn ich es nicht verdient habe, bekomme ich Sauerstoff, denkt er, mein Herz arbeitet trotz allem, es läßt mich nicht im Stich, obwohl ich so etwas Schreckliches getan habe. Er hat jetzt vor, sich aus dieser Stellung loszureißen. Er will hinausgehen und die Zeitung holen, aber dann entdeckt er seinen Nachbarn Erlandson, der in seiner munteren, unbekümmerten Art aus seinem Auto ausgestiegen ist. Charlo will mit niemandem reden, nicht jetzt, er fühlt sich nackt. Er kann das Gesicht nicht in die richtigen Falten legen, was ihm früher mühelos möglich war. Und ihm wird klar, daß er jetzt alles neu lernen muß, die täglichen Unternehmungen, Begegnungen mit Menschen, er muß der sein, der er immer gewesen ist. Aber der ist er nicht mehr. Seine nächste Absicht ist es, sich ein paar Brote zu schmieren, aber er bleibt stehen und ringt mit seinen Gedanken, eingesperrt wie in eine Stallbox. Er verspürt das heftige Bedürfnis, sich loszureißen, sich einen größeren Raum freizusprengen. Hier stehe ich im Flutlicht, denkt er, ich glühe wie eine Lampe, meine Wangen brennen. Ich bin Charlo, der Mörder. Ich stehe in meiner eigenen Küche, ich lehne an der Spüle, so kann ich bis zum Abend stehenbleiben. Die Apathie beschützt mich vor allem Übel, kein Gefühl kommt an mich heran, solange ich so hier stehe, erstarrt. Alles kommt ihm unüberwindlich vor, die nächste Stunde, der morgige Tag, der gesamte Rest seines Lebens. Hier gehe ich umher und beschäftige mich mit meinen Gedanken, nein, ich gehe nicht, ich bin versteinert, hier, an der Spüle, mit der einen Hand vorm Gesicht, ich bringe es nicht über mich, sie zu senken. Ich stelle mir vor, daß

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