Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
macht aber nie Unfug. Feiner, ruhiger Galopp. Braucht viel Aufwärmung, er ist groß. Aber wenn man ihm diese Zeit gibt, muß man einfach in den richtigen Gang schalten, dann kann er Stunden laufen.«
Charlo hört andächtig zu, er glaubt Møller jedes Wort.
»Wie heißt er?«
»Call me Crazy.«
»Und er ist freundlich?«
»Aber sicher.« Møller streichelt das Maul des Pferdes. »Den Namen hat er bekommen, ehe er kastriert wurde.« Er grinst.
»Rasse?« fragt Charlo.
»Holsteiner. Guter Stammbaum. Ein zuverlässiges Pferd.«
»Das fängt an, sich teuer anzuhören.«
»Unter fünfzigtausend geht das nicht. Das kann ich Ihnen schon mal sagen.«
»Fünfzig?«
Charlo beißt sich auf die Lippe, denkt an seine Schulden, denkt an das Silber, versucht, im Kopf zu rechnen. Aber mit Pferdehändlern muß man feilschen, das weiß er. Er muß ihn auf jeden Fall auf fünfundvierzig hinunterhandeln. Er glaubt, daß das gehen wird, er hofft es. Das Pferd ist einfach prachtvoll, so ein Pferd, nach dem alle sich umsehen.
»Ich kann ihn satteln, dann können Sie einen Proberitt machen?«
Jetzt schüttelt er heftig den Kopf. »Das hatte ich nicht vor, ich bin seit Jahren nicht mehr geritten. Aber stört es Sie, wenn ich wiederkomme und ihn mir ansehe? Und kann ich Fotos machen?«
Møller nickt.
»Ja, kommen Sie nur. Der Stall ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Ich kann meine Tochter in der Reithalle auf ihm reiten lassen, dann können Sie seine Bewegungen sehen. Falls Sie das interessiert. Sie wünscht sich etwas kleineres und leichteres, ihr wird das also wohl recht sein.«
Charlo nickt dankbar. »Und sonst. Was kostet die Einstallung? Wenn ich ihn hier haben möchte?«
Møller wischt sich mit einer Hand über die Oberlippe.
»Dreitausendachthundert. Dann wird an allen Werktagen ausgemistet. Wir bringen ihn auf die Koppel, und notfalls können wir auch die Pflege übernehmen.«
»Ja, soviel muß es wohl kosten«, sagt Charlo und rechnet in Gedanken fieberhaft. Aber ohne Papier wird er mit den Zahlen nicht mehr fertig. Er legt eine Hand auf den Pferderücken und befühlt die harten Muskeln. Fährt mit einer Hand über die Beine, die sind lang und kräftig. Mustert die Rückenwirbel, die sehen gut aus. Tastet nach den Rippen. Er spürt sie, sieht sie aber nicht, er weiß, daß das so richtig ist.
»Zehn Jahre, stimmt das?«
Møller nickt. »Zehn ist das beste Alter, finde ich. Erwachsen, die Pubertät liegt hinter ihnen, das Alter kommt noch lange nicht. Zufrieden?«
»Ja, danke«, sagt Charlo. Er ist begeistert. Hier steht er mit einem fremden Mann und einem schönen Fuchs, und auf seine Stimme ist Verlaß. Hier steht er in einer alten Daunenjacke und widerlichen Strichpupillen, die niemandem auffallen.
»Dann werde ich mir die Sache überlegen und mich dann wieder melden«, sagt er und sieht zu, wie Møller das Pferd wieder in die Box führt. Danach legt er ihm die Decke auf den Rücken und schnallt sie fest.
Charlo verläßt den Stall. Er fühlt sich wie berauscht. Er setzt sich ins Auto, mustert sich wieder im Spiegel, behält sein Gesicht unter Beobachtung. Wenn er sich ansieht, sieht er diesen wachsamen Blick. Ein Mann starrt ihn an, ein Mann, den er kennenlernen muß. Das dauert, denkt er, die Zeit bringt alles in Ordnung, fahr jetzt einfach, bleib ganz ruhig. Langsam fährt er über den Waldweg zurück, kurz darauf hat er die Hauptstraße erreicht. Er bleibt bei einem Einkaufszentrum stehen, um sich Lebensmittel zu besorgen. Schaut kurz auf die Armbanduhr, legt den Finger auf den Radioknopf. Wartet. Zwei Minuten vergehen. Dann kommt die Fanfare, dann kommen die Nachrichten. Sein Herz schlägt wieder schneller, denn dieses Mal passiert es, jetzt spricht die Stimme über den Mord an Harriet Krohn. Einige Wörter dringen in sein Bewußtsein, bleiben in seiner Erinnerung haften. Ungewöhnlich brutal. Einsam und alt. Tür vermutlich selbst geöffnet. Wertsachen fehlen.
Charlo legt die Stirn aufs Lenkrad, er hört mit dem ganzen Körper zu. Ungewöhnlich brutal. War es das? Er sieht das nicht so. Er hat zugeschlagen, bis sie still liegenblieb, und das hat eben gedauert. Eine Nachbarin hat die Tote gefunden. Die Polizei hat Spuren gesichert. Alle, die abends und nachts in Hamsund waren, werden gebeten, sich bei der Polizei zu melden, falls sie in der Nähe der Fredboes gate verdächtige Bewegungen beobachtet haben.
Die Worte kommen von weit her, er erkennt sich darin nicht, erkennt das Verbrechen nicht,
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