Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
an. Denkt an Julie, die in der Box von einem Fuß auf den anderen tritt, er kann sie einfach nicht enttäuschen.
»Nur fünf Minuten«, bittet er. »Ich kann satteln und alles andere erledigen. Vielleicht kann sie hier anfangen. Geht das? Sie ist fünf Jahre alt. Was kostet eine Stunde?«
Sie lächelt wieder, mustert ihn. »Hundertfünfzig. Einmal die Woche. Der Sattel hängt im Sattelraum, an dem Haken mit der Aufschrift Snowball.«
Er bedankt sich und stürzt davon. Julie hat die Arme um den Hals des Ponys gelegt.
»Komm«, sagt er. »Wir dürfen. Wir holen seinen Sattel. Aber wir müssen ganz hinten in der Reithalle bleiben, da ist gerade Unterricht, viele reiten da und wir dürfen nicht im Weg stehen.«
Sie hüpft auf und ab und klatscht in die Hände.
»Und du mußt tun, was ich dir sage«, ermahnt er sie. Sie nickt. Sie geht mit ihm ins Sattelzimmer und sieht zu, wie er den Sattel vom Haken nimmt, ihre Wangen sind vor Vorfreude ganz rot. Er sieht ihre Stiefel an, haben sie brauchbare Absätze, das haben sie. Er trägt den Sattel und führt das Pony aus der Box, Julie sieht zu. Immer wieder streichelt sie das Pony, zieht es am Schweif, sie kann es nicht lassen. Er hat ein wenig Schwierigkeiten mit dem Zaumzeug, aber dann fällt ihm alles nach und nach wieder ein, er zieht die Riemen straff. Er mustert Julies Beine und kürzt die Steigbügel. An einigen Haken hängen Reithelme, er findet einen passenden und setzt ihn ihr auf den Kopf.
»Dann geht’s los«, sagt er. »Paß auf deine Füße auf, er ist schwer.«
»Ich will ihn selbst führen«, sagt Julie, sie hat einen höheren Gang eingelegt, solchen Eifer hat er bei ihr noch nie gesehen.
»Nein«, sagt Charlo. »Beim ersten Mal muß Papa dir helfen, wir wissen nicht, ob er lieb ist. Nicht alle Ponys sind lieb«, fügt er hinzu und mustert sie mit ernstem Blick. Sie schaut ihn mürrisch an. Natürlich ist das Pony lieb, das Pony wird alles tun, was sie von ihm will, da ist sie sich sicher. Sie hat jetzt etwas Unerschütterliches, eine Art Zielbewußtsein, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Er sieht es und versteht es, er war ja selber einmal ein Kind. Er war viel in den Ställen und weiß, was Besessenheit ist. Sie haben die Reithalle erreicht. Charlo führt das Pony hinein, sucht einen Platz, wo sie die anderen nicht stören, hebt Julie in den Sattel. Sie packt die Zügel, ihre Augen leuchten.
»So«, sagt er, »die Füße in die Steigbügel. Setz dich gerade hin und heb das Kinn. Fein«, sagt er und zieht am Zaumzeug, sofort geht das Pony mit kurzen wiegenden Schritten los. Julie hält sich energisch an den Zügeln fest, ihr Körper beginnt sich auch zu wiegen. Sie ist verstummt, ihr Blick geht in die Ferne, und sie achtet nicht mehr auf Charlo, sie scheint an einem anderen Ort zu sein. Das Pony stapft mit gesenktem Kopf weiter, sie drehen eine kleine Runde, wandern in der Reithalle immer wieder im Kreis. Ab und zu nimmt sie die Zügel in eine Hand, um den Nacken des Ponys zu streicheln. Charlo empfindet eine tiefe Befriedigung, weil er ihr diese Freude geschenkt hat. Auf das, was dann kommt, ist er nicht vorbereitet. Sie machen zwanzig Minuten weiter, er schaut auf die Uhr, weiß, daß Inga Lill mit dem Essen wartet.
»So, Julie, jetzt müssen wir aufhören. Das war lustig, nicht wahr?« Sie gibt keine Antwort, nickt nicht, kneift den Mund zusammen. Starrt entschlossen vor sich hin.
»Noch eine Runde«, sagt sie und klammert sich fest. Er macht noch eine Runde. Will ganz besonders großzügig sein und geht noch eine.
»So«, sagt er dann noch einmal. »Jetzt reicht es, es ist schon spät.« Sie ballt die Fäuste, läßt die Zügel nicht los.
»Will nicht weg«, sagt sie mürrisch, in ihrem Blick liegt ein fast fanatisches Leuchten. »Will weiterreiten. Noch mehr Runden. Viele.«
Charlo lächelt. Aber er muß auch erwachsen sein, sie muß auf ihn hören, sie können nicht bis in den späten Abend hierbleiben.
»Julie«, sagt er. »Wir können ja wieder herkommen. Vielleicht kannst du mit den anderen zusammen Stunden nehmen. Das wäre doch schön! Aber jetzt müssen wir zum Essen nach Hause.«
»Hab keinen Hunger«, wehrt sie energisch ab. »Will mehr reiten.« Vorsichtig und liebevoll greift er nach ihr, sie weicht aus, schiebt ihn mit einer Hand weg. Plötzlich bohrt sie dem Pony die Fersen in die Seiten, und das rennt los, Charlo läuft nebenher.
»Ruhig, Julie«, keucht er. »Wir können nicht bis heute abend weitermachen. Wenn dir
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