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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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das Spaß macht, können wir wieder herkommen, aber jetzt müssen wir los.« Sie preßt wieder mit den Fersen, sagt über seinen Kopf hinweg: »Der ist überhaupt nicht müde, der will noch laufen. Ich weiß, daß er noch laufen will.«
    Charlo weiß sich keinen Rat mehr. Sie hat einen so starken Willen, hat ihn ausgesperrt, ist eins mit diesem runden weißen Tier, das so geduldig seine Kreise dreht.
    »Vielleicht macht Mama sich Sorgen um uns«, sagt er und will ihr in die Augen sehen, aber sie läßt es nicht zu.
    »Noch ein paar Runden«, sagt sie mit einer Autorität, die er nicht für möglich gehalten hätte. Sie klammert sich ans Pony, hat es in Besitz genommen. Charlo geht weiter im Kreis. Überlegt sich, was er hier angerichtet hat.
    »Morgen«, sagt er und sieht sie an, flehend jetzt. »Morgen können wir wieder herkommen. Dann rede ich mit der Reitlehrerin, vielleicht kannst du Reitstunden auf ihm bekommen. Einmal die Woche. Das ist teuer, aber ich werde mit Mama sprechen.«
    Sie hört ihn nicht, sie streichelt das Pony, ihr Körper schaukelt, er sieht, daß sie einen guten Gleichgewichtssinn hat, daß sie das Gefühl hat, am richtigen Ort zu sein. Dann hält er das Pony an und sagt mit strenger Stimme:
    »Jetzt gehen wir, Julie, jetzt reicht es.«
    Es ist nicht leicht für ihn, streng zu sein, und sie durchschaut ihn, weiß, daß er es nicht so meint, sie trabt mit dem Pony weiter. Sie ist undurchdringlich wie eine Mauer. Sie hat ihr Herz an Snowball verloren, es ist die erste große Liebe, Gesetze und Regeln gelten nicht mehr. Charlo fährt sich durch die Haare und seufzt. Plötzlich kommt ihm eine Idee.
    »Du kannst in den Stall reiten«, sagt er. »Das ist ein kleiner Ausflug an die frische Luft.«
    Widerwillig läßt sie sich davonführen, aber ihr Gesicht hat sich jetzt verdüstert, die Vorstellung, das Pony zu verlassen, ist zuviel für sie. Er führt sie nach draußen, die Hufe klappern über den Asphalt, Julie setzt sich gerade, sie sieht traurig und verletzt aus. Die goldene Stunde ist vorüber, sie kann es fast nicht ertragen.
    »Morgen geht das Leben weiter«, sagt er. »Zwischendurch müssen wir ein wenig schlafen. Du bist begabt, du bist ein Naturtalent, das werde ich Mama sagen, und dann sagt sie ja. Okay? Freust du dich?« Sie haben die Stalltür erreicht. Julie freut sich nicht, sie schiebt ihre Unterlippe weit vor. Dann fängt die Lippe an zu zittern.
    »So«, sagt er. »Einfach runterrutschen, ich fang dich auf.« Aber sie rutscht nicht herunter. Sie bleibt sitzen und klammert sich an den Zügel. Er reckt sich und faßt sie um die Taille, fängt an, sie herunterzuziehen. Sie packt die Mähne und hält sich fest, er zieht fester. Das Pony wird jetzt nervös.
    »Julie«, fleht er sie an. »Jetzt mußt du ein großes Mädchen sein und darfst nicht solchen Unsinn machen, ich kann nicht mehr.« Endlich läßt sie sich vom Pony heben, steif und trotzig wie ein Stock, aber die Zügel hält sie noch immer fest.
    »Du kannst ihn hineinführen«, sagt Charlo, und sie führt das fette Pony durch den Gang und in die Box.
    »Jetzt muß er versorgt werden«, erklärt Charlo, »er hat ja schließlich hart gearbeitet. Zuerst nehmen wir ihm das Zaumzeug ab, dann holen wir eine Bürste. Wir müssen seine Hufe saubermachen und ihn ein bißchen striegeln.« Julie läuft in die Sattelkammer und bringt eine Bürste mit, sie striegelt, als gelte es ihr Leben, ihre Haare sind schweißnaß. Charlo trägt alles zurück an Ort und Stelle, wäscht die Trense mit warmem Wasser, er hat ein seltsames Gefühl, er steht hier am Anfang von etwas Großem. Von etwas, das Überhand nehmen wird. Er entdeckt in einer Ecke eine Tüte mit Brotkrusten, zieht eine heraus und reicht sie Julie. Zeigt ihr, wie sie die halten soll. Das Pony hat die Kruste sofort verputzt. Dann bleibt Julie an der Boxentür stehen, immer wieder streichelt sie das weiße Maul. Er kann sie nicht weglocken. Sie hält sich am Gitter fest und setzt sich zur Wehr.
    So hat es angefangen.
    Ihre Pferdeleidenschaft ähnelte seiner Spielleidenschaft. Ein konstantes, brennendes Ziehen im Körper. Ihre Gedanken konzentrierten sich auf dieses eine, wollten diese Sehnsucht stillen. Er sah, daß es Besitz von ihr ergriff, daß diese Glut niemals erlöschen würde. Er denkt daran, während er durch die Blomsgate geht, auf dem Weg zum Zeitungskiosk. Er kommt an der Tierarztpraxis und der Bäckerei vorbei, sieht eine Frau auf sich zukommen. Er wirft ihr einen kurzen

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