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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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zwei Runden im Galopp«, sagt sie eifrig. Sie spielt hier die Lehrerin, ihre Stimme klingt sehr bestimmt.
    Charlo zögert. Er streichelt den Hals des Pferdes, spürt unter der Haut die dicken Adern, er kommt sich hier im Sattel so groß vor. Als sei er hier am richtigen Ort, als habe er endlich die Kontrolle. Das Pferd wird tun, was er ihm sagt, er hat es in der Hand, das spürt er. Aber Galopp?
    »Reiten sie einfach eine Volte, dann geht er brav im Kreis, und er hat einen sehr ruhigen Galopp. Na los!«
    Er geht eine halbe Runde und bringt das Pferd dann in den Trab. Er hat seine alten Künste nicht vergessen, er reitet mit einer gewissen Eleganz. Aber wenn es um Galopp geht, ist er unsicher. Er will nicht im Sägemehl landen, er ist nicht mehr jung, nicht so geschmeidig wie die Kleine da unten. Sie beobachtet ihn gespannt. Aber ich lebe doch schon gefährlich, denkt er, und läßt sich schwer in den Sattel sinken, preßt den rechten Absatz in die Pferdeflanke, einmal, dann noch einmal, und plötzlich ändert das Pferd seinen Rhythmus und geht über in größere wogende Bewegungen. Ich galoppiere, denkt er jubelnd, und nichts bedeutet noch etwas, wenn man auf einem Pferd sitzt, verschwindet der Rest der Welt. Die Kleine klatscht, Charlo schwitzt jetzt stark, er konzentriert sich, läßt sich davontragen, während die Mähne weht, während die Hufe in gleichmäßigem Rhythmus auf den Boden auftreffen. Er fühlt sich wie ein Wind, wie eine Welle, die sich bricht, es ist eine ganz besondere Freude, eins zu sein mit dem Pferd, immer wieder große Kreise zu ziehen. Mit einem Mal ist er müde und erschöpft. Er fällt in Trab und dann in Schritt. Er bleibt stehen, streichelt den Pferdenacken.
    »Gut«, sagt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn.
    Sie nickt stolz. Charlo gleitet vom Pferd und landet weich auf dem Boden.
    »Aber kannst du dich wirklich von ihm trennen? Bist du dir sicher?«
    Sie lächelt herablassend.
    »Ich hab keinen Bock, jahrelang dasselbe Pferd zu reiten, ich hab gern Veränderung. Sie kaufen ihn also?«
    »Ja. Ich habe eben mit deinem Vater gesprochen, wir sind uns einig. Kann ich dich etwas fragen?«
    Sie nickt.
    »Kann ich ein paar Fotos von ihm machen? Hältst du ihn?«
    Sie tritt näher und greift nach den Zügeln. Charlo holt den Fotoapparat aus der Tasche, hält ihn sich vor die Augen und findet die beiden im Sucher.
    Das Pferd hebt den Kopf, wie um zu posieren. Das schönste Pferd auf der Welt, denkt Charlo und drückt auf den Auslöser.

» PAPA !«
    Julie umklammert seine Hand, sie ist heiß und schweißnaß.
    »Kann ich auf dem Pferd reiten? Jetzt? Sofort? Hilfst du mir?«
    Sie zieht und zerrt an seiner Hand, ihre grünen Augen betteln, sie ist außer sich vor Ungeduld. Gleich wird sie hochgehen wie ein Chinaböller. Sie sind zum ersten Mal im Stall, sie hat sich in ein weißes Pony verliebt. Er lächelt und drückt ihre Hand, hält im Gang Ausschau nach Erwachsenen.
    »Vielleicht«, sagt er, »aber ich muß jemanden fragen. Wir können ihn nicht einfach nehmen, er gehört doch irgendwem.«
    »Aber wem gehört er denn? Kannst du jetzt fragen? Kann ich jetzt auf ihm reiten?« Sie zittert vor Eifer, immer wieder streichelt sie den Nacken des Ponys. Ihre Augen haben einen ganz besonderen Glanz, als ob sie Gold gefunden hätte. Er mustert das fette Shetlandpony und dann Julie, die fünf Jahre alt ist, sie trägt einen roten Daunenanzug und dicke Stiefel. Ihre Handschuhe hat sie auf den Boden fallen lassen. Sie gehört ihm, sie ist sein kostbarster Besitz. Ihre Wünsche zu erfüllen ist seine eigentliche Lebensaufgabe. Er bittet sie zu warten, er geht durch den Stall und dann in die Reithalle, wo eine Reitlehrerin mit einer Gruppe von Kindern beschäftigt ist. Sie zockeln auf kleinen und großen Tieren dahin, alle mit glühendheißen Gesichtern, alle zutiefst konzentriert.
    »Das weiße Shetlandpony«, sagt er und sieht sie flehend an. »Können wir das satteln und einen Versuch machen? Ich habe meine Tochter mitgebracht, sie kann es gar nicht erwarten.«
    Die Lehrerin trägt einen blauen Thermoanzug und eine dicke Mütze mit Ohrenklappen, sie schaut nicht mehr die Kinder an, sondern ihn.
    »Hat sie schon einmal geritten?«
    »Nein«, sagt Charlo, »aber ich. Wir schaffen das, wir brauchen keine Hilfe.«
    Sie fährt herum und schreit in die weite Halle hinein: »Jetzt eine Volte, Mädels, nicht so dicht reiten!«
    Charlo wartet, schaut zum Stall hinüber, sieht dann wieder die Reitlehrerin

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