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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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versucht, sie zu lesen, aber das gelingt ihm nicht. Er sieht auch nicht gut, sein Blick ist trübe. Er zwinkert verwirrt, aber das hilft nichts. Er schaut auf die Uhr, spürt, wie seine Verzweiflung wächst, wenn er daran denkt, daß Julie wartet. Er macht sich hier nicht sehr gut. Julie anzulügen ist leicht. Das hier aber kommt ihm unmöglich vor. Müde fährt er sich übers Gesicht. Bleibt so sitzen, die Augen hinter der Hand versteckt. Es kann doch nicht erlaubt sein, Kranke ins Gefängnis zu stecken, denkt er. Unwillkürlich greift er an seine hintere Hosentasche, wo sein Tabak steckt.
    »Darf ich hier rauchen?«
    Sejer nickt. »Natürlich. Ich hole einen Aschenbecher. Haben Sie Durst, Torp?«
    »Ja.«
    Sejer holt eine Flasche Mineralwasser. Charlo versucht, sich eine Zigarette zu drehen, seine Finger zittern ein wenig.
    »Fühlen Sie sich bedroht, Torp?« fragt Sejer ruhig.
    »Bedroht? Von Ihnen? Nein. Aber mir gefällt die Richtung nicht, die dieses Gespräch einschlägt.«
    »Dann ändern wir den Kurs. Wir haben ja soviel Material, einen ganzen Abend, also mehrere Stunden. Bleiben wir doch hier in der Stadt.«
    Er schenkt Mineralwasser ein und setzt sich wieder.
    »Ehe Sie nach Kongsberg gefahren sind, sind Sie hier durch die Stadt gelaufen. Fast zwei Stunden lang. Ihrer ersten Aussage zufolge. Erzählen Sie von diesen beiden Stunden.«
    Charlo gibt sich Feuer, er zieht gierig an der Zigarette.
    »Ja, Himmel. Sie scheinen ja etwas für Wiederholungen übrig zu haben. Ich bin herumgelaufen und habe mir Schaufenster angesehen. Ich habe Unterwäsche und Schuhe und Möbel gesehen. Ich habe Leute gesehen, ich habe Reklameplakate, Frauen und Autos angesehen. Und die Boote auf dem Fluß. Und ich habe auch einen Streifenwagen gesehen. Ich habe Hunde und Tauben gesehen.«
    »Zwei Stunden lang?«
    »Ja. Und dann habe ich eine Runde an den Landungsbrücken gedreht.«
    »Was haben Sie an den Landungsbrücken gemacht?«
    Charlo schaut ihn über den Tisch hinweg an.
    »Ich habe mit dem Gedanken gespielt zu springen.«
    »In den Fluß zu springen? Sich zu ertränken?«
    »Ja. So ist es. Sie wollen doch die Wahrheit hören, oder? Das ist die Wahrheit.«
    »Sie waren also mehr als nur nicht mit sich im reinen. Sie waren quasi suizidal?«
    »So können wir das nennen.«
    »Dieser Abend am 7. November, der gehörte also nicht nur zu einem Tag, an dem Sie mit sich nicht im reinen waren. Sie waren psychisch nicht im Gleichgewicht?«
    »Wenn Sie das so ausdrücken wollen, dann von mir aus. Nicht im Gleichgewicht. Das stimmt. Ich kam mir vor wie durch die Mangel gedreht.«
    Charlo zieht den Aschenbecher zu sich heran und klopft die Asche von der Zigarette.
    Er leert das halbe Glas und wischt sich den Mund ab.
    »Kein Wunder, daß der Unfall Sie dermaßen fertiggemacht hat«, sagt Sejer.
    »Nein, ich war einfach außer mir vor Wut. Ich war bis zum Äußersten angespannt. Es gibt eine Grenze dafür, was man an einem einzigen Abend ertragen kann.«
    »Dieser junge Mann, hat der sich gefürchtet?«
    »Der hat gezittert wie Espenlaub. Seine Ohren waren wie Topfhenkel, und sein Gesicht war kreideweiß. Ich bereue wirklich, daß ich mich so unmöglich aufgeführt habe.«
    »Noch einmal zu Ihrem langen Spaziergang. Sind Sie irgendwo eingekehrt?«
    »Nein.«
    »Sie sind nicht der Versuchung erlegen, sich bei dem schlechten Wetter irgendwo aufzuwärmen?«
    »Nein, ich war die ganze Zeit draußen.«
    »Sind Sie naß geworden?«
    »Es war jedenfalls ziemlich feucht, so können wir das wohl sagen. Meine Stiefel waren nicht dicht.«
    »Trotzdem, trotz allem sind Sie nach Kongsberg gefahren und auch dort durch die Straßen gegangen? Während der Schneeregen auf Ihre Schultern fiel?«
    »Ja. Unglaublicherweise.«
    »Sie finden das also unglaublich?«
    »Wenn ich jetzt daran zurückdenke, oder, wenn ich es jetzt erklären muß, dann kommt es mir reichlich bedauernswert vor.«
    »Sind Sie sich bedauernswert vorgekommen?«
    »Das auch. Ich habe an diesem Abend fast alle Gefühle durchlebt, ich glaube schon, daß ich das sagen kann. Das gesamte menschliche Register.«
    »Auch wenn Sie das, was Sie in den Schaufenstern sehen konnten, also nicht sonderlich interessant fanden, so liefen Ihre Gedanken doch auf Hochtouren?«
    »Das taten sie. Mein Kopf rauchte, so sehr habe ich nach einer Lösung gesucht.«
    »Nach einer Lösung für Ihre finanziellen Probleme?«
    »Ja. Ich habe mit dem Gedanken gespielt, eine Bank auszurauben.«
    Er schaut Sejer

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