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Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)

Titel: Der Mord an Harriet Krohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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herausfordernd an.
    »Und warum haben Sie diesen Gedanken nicht in die Tat umgesetzt?«
    »Ich bin kein Krimineller«, sagt Charlo mit fester Stimme und schaut dem Hauptkommissar noch immer ins Gesicht.
    »Dieser Mord in Hamsund«, sagt Sejer nun, »den wir aufklären müssen. Wie denken Sie darüber?«
    Charlo legt die Hände auf den Tisch, faltet sie und dreht Däumchen.
    »Darüber habe ich nicht weiter nachgedacht. Aber natürlich macht so etwas Eindruck. Sie war doch alt, einsam und krank. Nicht, daß Alter etwas bedeutet, ein Mord ist sicher ein Mord, ich meine, juristisch gesehen, aber aus irgendeinem Grund gehen die Leute hoch, wenn es um einen alten Menschen geht. Naja, die sind ja auch auf andere Weise hilflos als jüngere Menschen, deshalb finden wir das sicher so schrecklich. Aber was da in dieser Küche tatsächlich passiert ist, davon haben wir doch keine Ahnung.«
    Sejer schaut zu ihm hoch.
    »Ist es in der Küche passiert, Torp?«
    Charlo schnappt nach Luft.
    »Das stand in der Zeitung. Da wurde sie gefunden, das wissen alle.«
    »Tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen. Das hat in keiner Zeitung gestanden.«
    »Dann haben sie es im Radio gesagt. Ich weiß, daß ich es gehört habe!«
    Sejer sagt nichts dazu. Er macht sich Notizen, und Charlo bricht auf der Kopfhaut der Schweiß aus. Er kann sich solche Patzer nicht leisten. Nachdenken, sagt seine innere Stimme. Denk nach, ehe du antwortest.
    »Woran denken Sie, wenn Sie sagen, ›was da eigentlich passiert ist‹?«
    »Die Einzelheiten. Das, was vorher passiert ist. Was zu ihrem Tod geführt hat.«
    »Deshalb suchen wir den Täter. Und wenn wir ihn nicht finden, kann er das auch nicht erklären oder sich verteidigen.«
    »Da haben Sie recht«, sagt Charlo. »Die Frage ist nur, ob er findet, daß das die Mühe lohnt. Es besteht doch immer eine gewisse Gefahr, daß ihm nicht geglaubt wird. Daß niemand ihn versteht. Wenn Sie verstehen.«
    »Sie haben keine besonders hohe Meinung von unserer Justiz?«
    »Im Grunde nicht.«
    »Aber Sie sind doch nicht vorbestraft. Sie hatten noch nie mit der Polizei zu tun.«
    »Nein, aber ich lese ja Zeitungen. Und wenn der Täter wirklich glaubte, daß ein Geständnis ihm nutzen könnte, dann würde er sich natürlich melden.«
    »Was ist mit Ihnen?« fragt Sejer. »Glauben Sie, ein Geständnis könnte dem Täter auf irgendeine Weise helfen?«
    »Kommt drauf an, in welcher Situation er sich befindet. Was er für ein Mensch ist. Wenn er Familie hat, oder von Menschen umgeben ist, die ihm etwas bedeuten, dann würde er dann doch von ihnen getrennt werden. Für lange Zeit.«
    »Die meisten, die im Gefängnis sitzen, bekommen Besuch. Post und E-Mail. Sie werden angerufen.«
    »Meine Güte, das klingt ja richtig gemütlich.«
    »Nein, nicht gemütlich. Aber erträglich.«
    Als er sich entspannt, spürt er die Anwesenheit der Krankheit in seinem Körper. Sie wirkt sofort lähmend. Er versucht, sich auf den Mord zu konzentrieren, den er begangen hat, das aber nicht willentlich oder vorsätzlich oder aus Bosheit. Er kann kaum verstehen, daß er sitzen bleibt, daß er nicht frustriert hinausstürzt. Er hängt fest in diesem Gespräch, diesem Duell. Er dreht sich noch eine Zigarette und trinkt Mineralwasser. Öffnet einen Knopf an seinem Hemd. Der Hund schläft hinten an der Wand.
    »Wie ist das eigentlich, Torp? Sind Sie hier in der Stadt aufgewachsen?«
    »Ja, ich bin auf dem Ostufer geboren. Habe nie anderswo gewohnt. Ich bin gleich neben der Methodistenkirche großgeworden. Wir haben uns immer unten am Fluß herumgetrieben. Ich kenne diese Stadt wie meine Westentasche. Schöne Stadt«, fügt er hinzu, »vielleicht ein wenig unsystematisch, ein bißchen chaotisch. Aber das muß man hinnehmen. Haben Sie schon mal nachts vor dem Bahnhof gestanden und zur Brauerei hinübergeschaut? Das Glitzern, die vielen Brückenbögen? Das ist wunderschön.«
    Sejer nickt. Charlo sieht zur Wand hinüber, zu den Bildern.
    »Sie haben eine junge, schöne Frau?«
    Sejer folgt seinem Blick. »Das ist meine Tochter. Ingrid. Und mein Enkel, Matteus.«
    »Der ist dunkelhäutig. Adoptiert?«
    »Aus Somalia.«
    Charlo sieht sich die Bilder genauer an.
    »Da ist Bürgerkrieg, nicht wahr?«
    »Ja, da gibt es viele Waisenkinder. Was ist mit Ihnen? Sie haben eine Tochter.«
    »Ja. Sie ist fast siebzehn. Kluge kleine Dame. Sie hält mich fest am Zügel.«
    »Das brauchen Sie also? Daß jemand Sie fest am Zügel hält?«
    Charlo nickt schwerfällig. »Ich

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