Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
Sie konkrete Fragen, dann werde ich antworten, so gut ich kann.«
Sein Ausbruch bleibt im Raum hängen. Sejer nickt ernst.
»Dann bitte ich Sie ganz einfach, noch einmal zu wiederholen, was Sie uns schon gesagt haben.«
»Aber warum nerven Sie so wegen des 7. Novembers?«
»Es geht um den Mord an Harriet Krohn. Wir machen uns ein Bild von der Verkehrssituation, das ist wichtig für uns. Alle kleinen Bewegungen in der Gegend.«
»Ach?«
Sejer schaut in seine Unterlagen.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir sprechen über diese Fahrt nach Kongsberg, Torp. Die interessiert mich.«
»Die ist überhaupt nicht interessant.«
»Oh doch. Ihrer früheren Aussage nach sind Sie nach Kongsberg gefahren. Sie sind eine Stunde durch die Stadt gegangen. Erzählen Sie mir von dieser Stunde.«
Charlo schüttelt unsicher den Kopf.
»Machen Sie Witze?«
»Ich mache nie Witze. Das ist der blanke Ernst, Torp, damit das klar ist.«
Charlo schüttelt resigniert den Kopf. Er umklammert die Armlehnen seines Sessels.
»Über diese Stunde gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe mir Schaufenster angesehen. Und hatte schweinekalte Füße.«
»Was haben Sie in diesen Schaufenstern gesehen?«
Wieder schüttelt Charlo den Kopf. »Das finde ich wirklich eine dumme Frage. Kein Wunder, daß ihr so lange braucht, um einen Mord aufzuklären.«
»Können Sie etwas nennen, Torp?«
»Was ich gesehen habe? In den Schaufenstern? Wozu soll das denn gut sein?«
Er schlägt die Arme übereinander, schiebt das Kinn vor.
»Ich brauche eine Übersicht über diese Stunde. Diese sechzig Minuten in Kongsberg. Über den Grund können wir später sprechen. Was haben Sie in den Schaufenstern gesehen?«
Charlo fragt sich noch immer, ob der andere Witze macht. Es sieht nicht so aus.
»Vor allem wohl Kleider und so. Aber ehrlich gesagt...«
»Kleider. Na gut. Ist notiert. Was haben Sie sich sonst noch angesehen?«
»Naja, ein paar Sportsachen. Ich weiß es nicht mehr so genau, ich war nicht wirklich bei der Sache, ich bin einfach nur herumgewandert.«
Sejer nickt. »Sie sind sechzig Minuten lang herumgewandert. Sie haben sich Schaufenster angesehen, aber Sie waren nicht wirklich bei der Sache. Und Sie hatten kalte Füße. Warum sind Sie dann eine ganze Stunde herumgelaufen?«
»Ich hatte nichts anderes vor. Es muß ja wohl möglich sein, durch eine Stadt zu gehen, ohne deshalb seine Seele umkrempeln zu müssen.«
»Wo hatten Sie Ihren Honda abgestellt?«
Charlo zuckt hilflos mit den Schultern. »Am Bahnhof«, sagt er rasch. Das rutscht ihm einfach so heraus. Er kennt sich in Kongsberg überhaupt nicht aus, er war nur zweimal dort. Ihm geht auf, daß er sich jetzt eine ganze Stadt zusammenlügen muß. Straßen, die er nicht kennt, Gedanken, die er nicht gedacht hat, Menschen, die er nicht gesehen hat.
»Und dann sind Sie zu Fuß vom Bahnhof in die Stadt gegangen?«
»Richtig.«
»Waren viele Leute unterwegs?«
»Nein. Es war doch so schlechtes Wetter.«
»Sind Sie irgendwo eingekehrt? In einem Lokal?«
»Nein.«
»Warum wollten Sie nach Kongsberg?«
»Das war nur so ’ne Idee. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich damals nicht so ganz bei mir war, ich bin durch die Gegend gefahren, um die Tage rumzukriegen, man hat viel zuviel Zeit, wenn man arbeitslos ist. Ich kann nicht den ganzen Tag vor dem Fernseher sitzen, und ich fahre gern Auto. Bin in Bewegung. Verdammt, manchmal war das wirklich hart.«
Er spricht angestrengt, preßt die Zähne aufeinander. Die Krankheit liegt drohend auf der Lauer, er bewegt unter dem Tisch die Füße, versucht, sich zu konzentrieren.
»Sind Sie durch die ganze Stadt gegangen oder nur durch die Straßen im Zentrum?«
»Ich war vor allem im Zentrum.«
»Kongsberg ist eine kleine Stadt. Also müssen Sie mehrmals durch dieselben Straßen gegangen sein?«
»Das kann sein, ich weiß es nicht mehr.«
»Diese Stunde in Kongsberg ist in Ihrer Erinnerung also ein wenig unscharf?«
»Eigentlich ja.«
»Sie ist unscharf, weil Sie mit sich selbst nicht im reinen waren?«
»Vermutlich.«
»Haben Sie unterwegs getankt?«
»Nein, der Tank war voll.«
»Haben Sie an dem Abend überhaupt mit irgendwem gesprochen?«
»Nein, mir sind keine Bekannten begegnet. Das passiert fast nie, ich bin meistens allein.«
»An diesem ganzen Abend, als Sie um sechs die Blomsgate verlassen haben und dann um elf wieder zu Hause waren, haben Sie also mit niemandem ein Wort gewechselt. Abgesehen von dem jungen Mann, mit dem
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