Der Mord an Harriet Krohn (German Edition)
war früher doch spielsüchtig. Sie hat Angst, ich könnte in alte Gewohnheiten zurückfallen. Sie hat es nicht so leicht gehabt, ich habe der Familie wirklich Schande gebracht.«
»Aber das wird nicht wieder vorkommen?«
»Nein, da bin ich mir sicher. Ich spüre im tiefsten Herzen, daß das vorbei ist.«
»Ein Lottogewinn und schwupp, schon waren Sie wieder im Lot?«
»Ich hatte schon lange beschlossen, die Segel zu reffen, um das mal so zu sagen. Es ging einfach nicht mehr, ich war ein nervliches Wrack. In der Szene liefen Gerüchte um, daß jemand mir einen Schläger zum Geldeintreiben schicken wollte. Ich konnte nachts nicht schlafen, ich konnte einfach nicht zur Ruhe kommen. Das Leben war eine Hölle, um das mal ganz geradeheraus zu sagen.«
Charlo lockt den Hund zu sich. Der kommt angetrottet und setzt sich neben seinen Stuhl.
»Wie lange muß ich noch hierbleiben? Die Uhr tickt. Julie wartet.«
»Wir müssen uns nicht beeilen, Torp. Wir nehmen uns die Zeit, die wir brauchen. Es ist nicht in meinem Interesse, daß Sie sich hier nervös oder überfahren fühlen.«
Charlo läßt Frank Robert los. Der schaut ihn ein wenig mißmutig an, dann kehrt er an seinen Platz an der Wand zurück.
»Gehen wir also weiter«, sagt Sejer. »Ich finde, es ist jetzt vielleicht an der Zeit, klarzustellen, was Sie eigentlich in Hamsund wollten. Was Sie dort vorhatten.«
Charlo setzt sich gerade.
»Wie schon gesagt. Ich hatte gar nichts vor. Es war einfach so eine Idee, die Hauptstraße zu verlassen. Ich kann mich erinnern, daß ich die Kirche im Flutlicht sah und automatisch abgebogen bin. Ich wollte Zeit totschlagen, um nach Hause fahren und mich ins Bett legen zu können. Nur das war mir wichtig. Die Tage rumzukriegen.«
»Wie spät war es, als Sie nach Hamsund abgebogen sind?«
»Da war es wohl fast halb elf.«
»Na gut. Und dann sind Sie einige Runden gefahren?«
»Ja, ich bin am Bahnhof vorbeigekommen und dann dort weitergefahren.«
»In die Fredboes gate?«
»Ja. Ich bin einfach hindurchgefahren, habe die schönen alten Häuser gesehen, die sind wirklich toll, ich habe gehört, daß sie unter Denkmalschutz stehen. Ich bin bis zum Ende der Straße gefahren und habe dann gedreht.«
»Warum haben Sie gehalten und sind ausgestiegen?«
»Das habe ich nicht.«
Sejer beugt sich über seine Unterlagen.
»Sie haben Ihren Wagen hinter dem alten stillgelegten Hotel abgestellt. Ihren roten Honda Accord?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Nein, aber andere wissen es und haben es sich gemerkt.«
»Das muß ein anderes Auto gewesen sein. Nein, ich habe meins nicht verlassen, da bin ich mir ganz sicher.«
»Sie wollten niemanden besuchen?«
»Ich kenne keine Menschenseele in Hamsund.«
»Und nach diesem kleinen Abstecher durch die Fredboes gate hatten Sie dann Ihren Unfall?«
»Ja.«
»Sie waren psychisch nicht im Gleichgewicht, suizidal geradezu, sie waren triefnaß, Sie machten sich Sorgen um die Zukunft, aber trotzdem wollten Sie sich alte Häuser ansehen, die unter Denkmalschutz stehen?«
»Ja. Wissen Sie, ich war ja nicht ganz bei mir, irgendwie durcheinander. Aber wie gesagt, die ganze Zeit wollte ich Zeit rumkriegen.«
»Sie haben vielleicht im Auto gesessen, hinter dem stillgelegten Hotel, und eine Pause gemacht?«
»An das mit dem Hotel kann ich mich wirklich nicht erinnern. Daß ich dort gehalten haben soll.«
»Wenn Sie so aus dem Gleichgewicht geraten waren, wie Sie erzählen, dann fällt es Ihnen vielleicht schwer, sich an Einzelheiten zu erinnern. Aber ich bin davon überzeugt, daß die Erinnerung sich nach und nach wieder einstellen wird. Deshalb sitzen wir ja hier. Und die Uhrzeit, Torp? Sind Sie ganz sicher, daß es halb elf war, als Sie in Hamsund eingetroffen sind?«
»Ich weiß noch, daß ich auf die Uhr geschaut habe.«
»Aber Ihr Auto stand schon um zehn hinter dem Hotel?«
»Das kann nicht stimmen.«
»Meinen Unterlagen zufolge stimmt es. Vielleicht irren Sie sich?«
»Es war ja dunkel und überhaupt. Wenn irgendwer hinter dem Hotel ein Auto gesehen haben will, das aussah wie meins, dann ist diese Behauptung wirklich nicht viel wert. Ich meine, wir irren uns doch alle dauernd. Und ich bin nicht der einzige, der einen roten Honda fährt.«
»Ob diese Behauptung etwas wert ist, wird sich schon noch herausstellen. Ich glaube aber, daß Sie sich in der Zeit irren. Das ist kein großes Verbrechen, aber ich muß es genau wissen. Haben Sie vielleicht mit dem Gedanken gespielt, jemanden zu
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