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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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    Sie nahm sich den einen, den sie gefunden hatte, zum
zehnten Mal vor. Jede Lektüre bestärkte sie in der
Überzeugung, daß darin vielleicht doch ein Körnchen
Wahrheit steckte. Wie glücklich Leila auch mit Ted
gewesen war, so reagierte sie aus Kummer über die letzten
drei bis vier Filme oft aufbrausend und launenhaft. Dora
hatte festgestellt, daß Ted für diese Ausbrüche zunehmend
weniger Geduld aufbrachte. Interessierte er sich
mittlerweile für eine andere Frau?
    Das wären genau Leilas Gedankengänge gewesen, wenn
sie einen oder mehrere dieser Briefe geöffnet hätte. Es
würde die Angst, das Trinken, die Verzweiflung jener
letzten Monate erklären. Leila pflegte oft zu sagen: «Auf
dieser Welt gibt es nur zwei Menschen, von denen ich
weiß, daß ich ihnen vertrauen kann. Spatz und Falke. Dazu
gehören jetzt auch Sie, Sammy.» Dora hatte das als
Auszeichnung empfunden. «Und die Queen Elizabeth II.»
– Leilas Name für Min – «ist eine Busenfreundin durch
dick und dünn, vorausgesetzt, es springt etwas für sie
dabei heraus und der Spielzeugsoldat hat nichts dagegen.»
    Zu Doras Erleichterung waren Min und Helmut nicht im
Büro. Sie eilte in die Registratur. Mit ihrer Vorliebe für
dekorative Ausstattung hatte Min selbst diesen kleinen
Lagerraum extravagant gestalten lassen. Die
maßgefertigten Aktenordner waren sonnengelb, der
Fußboden gold- und bernsteinfarben ausgekachelt, das
Büromaterial wurde in einem antiken englischen Schrank
aufbewahrt.
    Es gab noch zwei volle Postsäcke zu sichten, ein buntes
Sortiment – Briefe, für die man liniierte Seiten aus
Schulheften herausgerissen hatte, und andere auf teurem,
parfümiertem Papier. Dora trug einen Armvoll zu ihrem
Schreibtisch.
    Ein langwieriges Verfahren. Sie konnte ja nicht davon
ausgehen, daß die Adressen bei weiteren anonymen
Briefen genauso aus Zeitungsausschnitten
zusammengesetzt waren wie bei dem, den sie gefunden
hatte. Sie fing mit den bereits geöffneten Briefen an,
denjenigen, die Leila gesehen hatte. Vierzig Minuten
verstrichen ohne greifbares Resultat. Fast durchweg der
übliche Inhalt: Sie sind meine Lieblingsschauspielerin …
Ich habe meine Tochter nach Ihnen genannt … Ich habe
Sie in der Talkshow von Johnny Carson gesehen. Sie
waren einfach toll und so urkomisch … Aber es waren
auch etliche erstaunlich scharfe, kritische Sätze darunter. Das war das letzte Mal, daß ich fünf Dollar hingeblättert
habe, um Sie zu sehen … Und das für so einen Mistfilm …
Lesen Sie eigentlich die Drehbücher vorher, Leila, oder
nehmen Sie einfach jede Rolle, die Sie kriegen können?
    Sie war so vertieft, daß sie nicht bemerkte, wie Min und
Helmut um vier Uhr auftauchten. Als sie sich ihrem
Schreibtisch näherten, schreckte sie hoch, bemühte sich,
unbefangen zu lächeln, und schob den anonymen Brief
unauffällig zwischen die anderen.
    Kein Zweifel, Min war völlig außer sich. Daß Dora
vorzeitig zurückgekommen war, schien sie gar nicht zu
registrieren. «Sammy, bringen Sie mir die Akte über das
römische Bad.»
    Min wartete, bis sie die Unterlagen geholt hatte. Als sie
damit erschien, wollte Helmut ihr die Mappe abnehmen,
doch Min riß sie ihr förmlich aus der Hand. Sie war
geisterhaft blaß. Helmut tätschelte ihr den Arm. «Tief
durchatmen, Minna, bitte!»
Sie ignorierte ihn. «Kommen Sie mit», befahl sie Dora.
    «Ich will bloß noch geschwind aufräumen.» Dora zeigte
auf ihren Schreibtisch.
«Lassen Sie alles liegen. Das spielt auch keine Rolle
mehr.»
Ihr blieb nichts weiter übrig. Wenn sie versuchte, den
anonymen Brief in die Schublade zu tun, würde Min ihn
bestimmt zu sehen verlangen. Also strich Dora ihr Haar
glatt und folgte den beiden ins Privatbüro. Irgend etwas
war oberfaul, und das hatte mit diesem verdammten
römischen Bad zu tun.
Min setzte sich an ihren Schreibtisch, schlug die Akte
auf und durchblätterte sie in Windeseile. Die
Korrespondenz bestand vorwiegend aus Rechnungen des
Bauunternehmers. «Fünfhunderttausend bar,
dreihunderttausend, fünfundzwanzigtausend …» Sie las
weiter vor, die Stimme wurde immer schriller. «Und jetzt
weitere vierhunderttausend Dollar, bevor er mit den
Innenarbeiten weitermachen kann.» Sie schmiß die
Papiere hin und schlug mit der Faust darauf.
Dora lief zum Kühlschrank, um ihr ein Glas Eiswasser
zu holen. Helmut war mit einem Satz bei Min, legte ihr die
Hände an die Schläfen und sprach leise, beruhigend auf

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