Der Mord zum Sonnntag
sie würde sich hier nicht wie
zu Hause fühlen!» Verzweifelt stopfte Min die
Rechnungen und Entwürfe in die Mappe zurück.
Dora nahm sie ihr ab und stellte sie wieder in die
Registratur. Ihr Herz hämmerte, als sie die Rezeption
betrat. Die Briefe lagen auf ihrem Schreibtisch verstreut –
der anonyme fehlte.
Entsetzt versuchte Dora zu bemessen, ob und wieviel
Schaden er anrichten könnte. Ließe er sich verwenden, um
Ted zu erpressen? Oder wollte der Absender ihn unbedingt
zurückhaben, um auf alle Fälle seine Spuren zu
verwischen? Hätte sie ihn doch bloß nicht gerade in dem
Augenblick gelesen, als Min und Helmut hereinkämen!
Dora sank auf ihren Schreibtischsessel und bemerkte jetzt
erst, daß Cheryls Wochenrechnung an ihrem Kalender
lehnte.
Quer darüber hatte sie geschrieben: Bezahlt.
7
Um halb sieben läutete das Telefon in Elizabeths
Bungalow. Min.
«Ich möchte dich gern einladen, Elizabeth, heute mit
Helmut und mir zu Abend zu essen. Die übrigen gehen
alle aus – Ted, sein Anwalt, Craig, Cheryl, Syd.» Im
ersten Augenblick hörte sich das nach der alten Min an –
herrisch, kein Nein duldend. Doch dann, noch ehe
Elizabeth antworten konnte, wurde ihr Ton sanfter.
«Bitte, Elizabeth, du fliegst doch morgen schon zurück.
Wir haben dich vermißt.»
«Ist das wieder eins von deinen Spielchen, Min?»
«Dieses Zusammentreffen gestern abend hätte ich unter
gar keinen Umständen erzwingen dürfen. Es war ein
unverzeihlicher Fehler, ich kann dich nur um Verzeihung
bitten.»
Min klang erschöpft, und Elizabeth begann Mitleid zu
empfinden. Wenn Min an Teds Unschuld glauben wollte,
so war das ihre Sache. Mit ihrem Plan, dieses
Zusammentreffen zu arrangieren, hatte sie weit übers Ziel
hinausgeschossen, aber das war nun mal ihre Art.
«Bist du wirklich sicher, daß keiner von den anderen im
Speisesaal sein wird?»
«Hundertprozentig. Setz dich zu uns, Elizabeth. Ich hab
dich ja kaum zu Gesicht bekommen.»
Dieses flehentliche Bitten sah Min so gar nicht ähnlich.
Jedenfalls wäre das die einzige Gelegenheit, mit Min
zusammenzusein, und außerdem fand Elizabeth die
Aussicht, allein zu essen, nicht gerade verlockend.
Sie hatte einen ausgefüllten Nachmittag hinter sich: eine
Luffa-Behandlung, zwei Kurse für Streckübungen, eine
Pediküre und Maniküre und zum Schluß ein Yogakurs.
Dabei war es ihr trotz aller Bemühungen nicht gelungen,
sich von ihren Gedanken freizumachen und ganz auf den
Unterricht zu konzentrieren. Statt dessen klang ihr gegen
ihren Willen wieder und wieder Teds Frage in den Ohren: Falls ich tatsächlich nach oben zurückgegangen bin …
Habe ich da nicht vielleicht versucht, sie zu retten?
«Elizabeth …?»
Sie umklammerte den Hörer und ließ den Blick durch
den Raum schweifen, genoß die wohltuende Wirkung der
auf einen Farbton abgestimmten Ausstattung dieses teuren
Bungalows. «Leila-Grün», nannte ihn Min. Kein Zweifel,
sie hatte Leila geliebt … Elizabeth hörte sich die
Einladung annehmen.
Zu dem geräumigen Badezimmer gehörten eine
eingelassene Wanne, in die Stufen hinunterführten,
Whirlpool, Duschkabine und eine eigene
Dampfvorrichtung. Sie wählte die Kombination, die Leila
zur Entspannung bevorzugt hatte. In der Wanne liegend,
hatte sie beides gleichzeitig – Dampf und Whirlpool. Mit
geschlossenen Augen, den Kopf auf die mit Velours
bezogene Nackenstütze gebettet, spürte sie, wie die
Anspannung unter dem feuchten Dunst und dem
schäumenden Wasser wich.
Wieder stellte sie sich die Frage, was das alles gekostet
hatte. Min mußte die ererbten Millionen im Blitztempo
durchgebracht haben. Das gesamte Stammpersonal machte
sich die gleichen Sorgen. Rita, die Maniküre, hatte ihr
wortwörtlich dasselbe erzählt wie die Masseuse. «Ich
sag’s Ihnen, Elizabeth, seit Leilas Tod ist in Cypress Point
einfach nichts mehr los. Wer auf Prominenz aus ist, geht
jetzt nach La Costa. Natürlich treffen Sie auch hier noch
ein paar große Namen, aber es heißt, daß die Hälfte von
denen keinen Cent bezahlt.»
Nach zwanzig Minuten schaltete sich der Dampf
automatisch aus. Zögernd stellte sich Elizabeth unter die
kalte Dusche, schlüpfte danach in einen dicken
Bademantel und band sich ein Handtuch um den Kopf. Es
gab noch etwas, das sie in ihrem Zorn über das
Zusammentreffen mit Ted übersehen hatte. Mins
Zuneigung für Leila war echt, ihr Schmerz nach Leilas
Tod nicht gespielt. Doch Helmut? Der feindselige
Ausdruck, mit dem er
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