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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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haben Sie nicht durchgesehen, oder?» fragte Scott.
«Nein.» Elizabeth merkte, wie fest sie das Manuskript
umklammerte. Sie hatte den zwanghaften Wunsch, es zu
lesen. Sie kannte es nur aus dieser einen grauenhaften
Aufführung. Dem Vernehmen nach sollte die Rolle Leila
auf den Leib geschrieben sein. Nun wollte sie sich selbst
ein Urteil bilden. Widerstrebend begleitete sie Scott zum
Büro – ein weiterer Ort, den sie lieber gemieden hätte.
Helmut und Min waren in ihrem Privatbüro. Die Tür
stand offen. Henry Bartlett und Craig waren bei ihnen.
Bartlett verlangte unverzüglich eine Erklärung zu den
anonymen Briefen. «Sie könnten sich für die Verteidigung
meines Mandanten sehr wohl als relevant erweisen»,
betonte er. «Wir haben ein Recht auf umfassende
Information.»
Elizabeth beobachtete Bartlett, während er Scotts
Ausführungen folgte. Sein Gesichtsausdruck verriet
gespannte Aufmerksamkeit, die Züge traten schärfer
hervor, die Augen blickten hart, unerbittlich. Dies war also
der Mann, der sie vor Gericht ins Kreuzverhör nehmen
würde. Er glich einem Raubtier, das auf Beute lauerte.
«Lassen Sie mich dies klarstellen», sagte Bartlett. «Miss
Lange und Miss Samuels waren sich einig, daß Leila
LaSalle zutiefst verstört gewesen sein könnte durch
anonyme Briefe, in denen stand, daß Ted Winters sich für
eine andere interessierte. Und eben diese Briefe sind jetzt
spurlos verschwunden? Am Montagabend schrieb Miss
Samuels den ersten Brief nach dem Gedächtnis nieder?
Miss Lange hat eine Niederschrift des zweiten angefertigt?
Ich verlange Kopien.»
«Ich sehe keinen Grund, Ihnen das zu verweigern»,
entgegnete Scott. Er legte Leilas Terminkalender auf Mins
Schreibtisch. «Ach ja, der Ordnung halber – dies schicke
ich ebenfalls nach New York. Es ist Leilas Kalender für
die letzten drei Monate ihres Lebens.»
Ohne um Erlaubnis zu bitten, griff Henry Bartlett
danach. Elizabeth wartete vergebens auf Scotts Protest.
Bartlett in Leilas persönlichen Notizen herumblättern zu
sehen, empfand sie als unbefugtes Eindringen. Was ging
ihn das an? Sie warf Scott einen wütenden Blick zu, den er
gleichgültig erwiderte. Er versucht, mich auf die
kommende Woche vorzubereiten, dachte sie bekümmert,
vielleicht sollte ich ihm dafür sogar dankbar sein. Nächste
Woche würde alles, was Leila ausmachte, zwölf
Menschen zur kritischen Begutachtung vorgelegt; ihre
eigene Beziehung zu Leila, zu Ted – nichts bliebe
verborgen, kein Privatbereich ausgespart. «Ich gehe
Sammys Schreibtisch durchsuchen», sagte sie
unvermittelt.
Sie deponierte das Skript, das sie immer noch in der
Hand hielt, auf Sammys Schreibtisch und sah rasch die
Schubladen durch. Sie enthielten absolut nichts
Persönliches, nur die üblichen Büroutensilien.
Min und der Baron waren ihr gefolgt und standen jetzt
vor dem Schreibtisch, starrten beide gebannt auf den
Ledereinband mit der Aufschrift Karussell.
«Leilas Stück?» erkundigte sich Min.
«Ja. Sammy hat Leilas Arbeitsexemplar aufgehoben. Ich
nehme es jetzt an mich.»
Craig, Bartlett und der Sheriff kamen aus dem
Privatbüro. Henry Bartlett lächelte – ein selbstzufriedenes,
überhebliches, eisiges Lächeln. «Miss Lange, Sie waren
uns heute eine große Hilfe. Doch ich sollte Sie wohl
darauf hinweisen, daß die Geschworenen sich kaum mit
der Tatsache befreunden werden, daß Sie Ted Winters aus
verschmähter Liebe durch dieses Fegefeuer getrieben
haben.»
Elizabeth erhob sich, bleich bis an die Lippen. «Wovon
reden Sie eigentlich?»
«Ich rede von der Tatsache, daß Ihre Schwester mit
eigener Hand den Zusammenhang hergestellt hat, als Sie
und Ted sich so häufig ‹zufällig› in der gleichen Stadt
aufhielten. Ich rede von der Tatsache, daß jemand anders
ebenfalls diesen Zusammenhang herstellte und sie mit
jenen Briefen zu warnen versuchte. Ich rede von Ihrem
Gesichtsausdruck, als Ted Sie bei der Trauerfeier in die
Arme nahm. Sie haben doch bestimmt die Morgenzeitung
heute gesehen. Offenbar nehmen Sie das ernst, was für
Ted ein kleiner Flirt war, und als er Sie fallenließ,
entdeckten Sie einen Weg, sich zu rächen.»
«Sie gemeiner, niederträchtiger Lügner!» Elizabeth
merkte erst, als es gegen Henry Bartletts Brust prallte, daß
sie das Skript nach ihm geworfen hatte.
Er quittierte es mit unbeteiligter, eigentlich sogar
erfreuter Miene. Er hob das Skript auf und gab es ihr
zurück. «Tun Sie mir einen Gefallen, Kindchen, und

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