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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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seine Hand von
der Türklinke. Einer der beiden Schachspieler drehte ihm
die Arme auf den Rücken. Die Maschine kreiste über dem
Flugplatz, die Positionslichter waren bereits in
Fensterhöhe. Ein leichter Ruck – Frankfurt!
Die Passagiere ließen den Polizeichef los, als sich die
Tür zum Cockpit öffnete. Da stand Tom, betrachtete
verärgert die Szene.
«Was zum Teufel ist hier los, Carol?»
Sie ging zu ihm, schloß die Augen vor dem Haß des
Polizeichefs und vor der Wirkung, die ihre Worte auf Tom
hatten. Sie fühlte sich krank, erschöpft. «Captain …», ihre
Zunge war geschwollen, sie konnte sich kaum artikulieren,
«Captain, ich möchte einen blinden Passagier melden …»
    Dankbar schluckte sie den dampfenden Kaffee im
Direktionsbüro des Frankfurter Flughafens. In der
vergangenen Stunde hatte es ein wirres Durcheinander von
Flughafenbeamten, Polizei, Fotografen gegeben. Wirklich
deutlich war ihr nur die Forderung des Polizeichefs in
Erinnerung: «Dieser Mann ist ein Staatsbürger meines
Landes. Er muß sofort zurückgebracht werden.» Und die
Antwort des Direktors: «Dies ist bedauerlich, aber wir
müssen den blinden Passagier der Bundesregierung in
Bonn überstellen. Wenn seine Angaben der Wahrheit
entsprechen, wird ihm Asyl gewährt.»
Sie betrachtete ihre Hand, die Joe geküßt hatte, bevor
man ihn in Gewahrsam nahm.
    «Sie haben mir mein Leben, meine Zukunft geschenkt»,
hatte er dabei gesagt.
Die Tür öffnete sich, und Charley Wright kam herein,
gefolgt von Tom. «Na, das wäre erledigt.»
Er fixierte Carol. «Sind Sie richtig stolz auf sich?
Kommen Sie sich als echte Heldin vor und lauern schon
auf die Schlagzeilen in den Morgenzeitungen? ‹Stewardeß
versteckt blinden Passagier auf dramatischem Flug von
Danubia.› Daß Northern in Danubia die
Flugverkehrsrechte entzogen werden und Ihretwegen
etliche Millionen Dollar Verluste entstehen, das werden
die Zeitungen nicht drucken. Was Sie betrifft, Carol, Sie
können kostenlos nach Hause fliegen, es wird eine
Anhörung in New York geben, aber – Sie sind entlassen.»
«Damit habe ich gerechnet. Aber Sie müssen sich
darüber im klaren sein, daß Tom nichts von dem blinden
Passagier wußte.»
«Ein Captain muß darüber Bescheid wissen, was in
seiner Maschine vor sich geht, das gehört zu seinen
Aufgaben», konterte Charley. «Tom wird wahrscheinlich
mit einem strengen Rüffel davonkommen, wenn er keine
heroischen Anwandlungen kriegt und versucht, die
Verantwortung auf sich zu nehmen. Aus der
Gerüchteküche hörte ich, daß er schon mal für Sie in die
Bresche gesprungen ist.»
«Das stimmt», entgegnete Carol. «Voriges Jahr hat er für
mich die Schuld auf sich genommen, und ich hatte nicht
einmal soviel Anstand, ihm dafür zu danken.» Sie blickte
in Toms seltsam unergründliches Gesicht. «Tom, voriges
Jahr waren Sie wütend auf mich, und das mit Recht. Ich
war im Unrecht, auf der ganzen Linie. Diesmal tut’s mir
ehrlich leid, wenn Sie deswegen Ärger kriegen, aber ich
konnte nicht anders handeln.»
Sie kämpfte mit den Tränen, als sie sich Charley
zuwandte:
«Wenn Sie fertig sind, gehe ich jetzt ins Hotel. Ich bin
todmüde.»
Er sah sie mitfühlend an. «Carol, inoffiziell kann ich
verstehen, was Sie getan haben. Offiziell …»
Sie lächelte mühsam. «Gute Nacht.» Sie verließ das
Büro und begann die Treppe hinunterzugehen.
Tom holte sie auf dem Absatz ein. «Hör zu, Carol, laß
uns die Dinge klarstellen – ich bin froh, daß der Junge
durchgekommen ist. Du wärst nicht die Frau, die ich liebe,
wenn du ihn diesen Bestien ausgeliefert hättest.»
Die Frau, die ich liebe …
«Aber Gott sei Dank wirst du nicht mehr in meiner
Maschine fliegen. Ich hätte keine ruhige Minute mehr,
wenn ich mich im Cockpit dauernd fragen müßte, was
wohl in der Kabine vor sich geht.» Er schloß sie in die
Arme.
«Aber wenn du nicht mehr bei mir in der Maschine bist,
hätte ich’s gern, daß du mich vom Flugplatz abholst. Du
kannst dann Spione, Hunde und was dir sonst noch
einfällt, auf dem Rücksitz verstecken. Carol, ich will dich
damit bitten, mich zu heiraten.»
Carol sah ihn an, diesen hochgewachsenen, attraktiven
Mann, dessen Augen voller Zärtlichkeit auf sie gerichtet
waren. Dann fühlte sie seine Lippen warm auf den ihren,
hörte ihn wieder die Worte sagen, nach denen sie sich seit
langem gesehnt hatte: «Ich liebe dich, Carol.»
Im Warteraum des Terminals herrschten Halbdunkel und
Stille.

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