Der Mord zum Sonnntag
irgendwelche dunklen
Andeutungen machen und du dir sonst was vorstellst.»
Elizabeth tat ihr Bestes, das Wohnzimmer einigermaßen
in Ordnung zu bringen. Sie ließ die Jalousien dreiviertel
herunter, um die allzu grelle Sonne abzuhalten. Sie leerte
die Aschenbecher, wischte die Tischplatte ab und räumte
die Bierflaschen weg, die Mama und Matt vor ihrem
Krach geleert hatten. Danach ging sie in ihr Zimmer, das
gerade Platz bot für ein Bett, eine Kommode und einen
Rohrstuhl mit geborstenem Sitz. Leila hatte ihr zum
Geburtstag eine weiße Tagesdecke aus Chenille geschenkt
und ein gebrauchtes Bücherregal gekauft, das sie rot
gestrichen und an die Wand gehängt hatte.
Mindestens die Hälfte der Bücher im Regal waren
Theaterstücke. Elizabeth suchte sich einen ihrer Lieblinge
heraus, «Unsere kleine Stadt.» Leila hatte voriges Jahr in
der High School die Emily gespielt und ihre Rolle so oft
mit Elizabeth geprobt, daß die sie ebenfalls auswendig
konnte. Manchmal las sie sich während der Rechenstunde
ein ganzes Theaterstück lautlos aus dem Kopf vor. Das
machte ihr weitaus mehr Spaß, als das Einmaleins
herunterzuleiern.
Sie mußte eingedöst sein, denn als sie die Augen
aufschlug, beugte sich Matt über sie. Sein Atem roch nach
Tabak und Bier, was noch schlimmer wurde, als er
lächelte und dabei zu keuchen begann. Elizabeth wich
zurück, aber sie konnte sich ihm nicht entziehen. Er
tätschelte ihr Bein. «Muß ja ’n ziemlich langweiliges Buch
sein, Liz.»
Er wußte genau, daß sie Wert darauf legte, mit vollem
Vornamen angeredet zu werden.
«Ist Mama wach? Dann kann ich anfangen, das
Abendessen zu machen.»
«Deine Mama wird noch ’ne Weile schlafen. Wie war’s,
wenn ich mich ’n bißchen hinlege und wir beide dann
vielleicht gemeinsam lesen?» In Sekundenschnelle wurde
Elizabeth an die Wand geschubst, und Matt machte sich
auf dem Bett breit. Sie begann sich zu winden. «Ich steh
jetzt auf und fange mit den Hacksteaks an», sagte sie,
bemüht, ihre Angst nicht zu zeigen.
Er hielt ihre Arme mit festem Griff umklammert.
«Vorher umarmst du Daddy erst mal so richtig lieb,
Schätzchen.»
«Du bist nicht mein Daddy.» Blitzartig erkannte sie, daß
sie in der Falle saß. Sie wollte versuchen, Mama durch
Rufen zu wecken, aber jetzt küßte Matt sie.
«Bist ’n hübsches kleines Ding», murmelte er. «Aus dir
wird später mal ’ne richtige Schönheit.» Seine Hand glitt
über ihr Bein, tastete sich weiter nach oben.
«Ich mag das nicht», sagte sie.
«Was magst du nicht, Baby?»
Und dann sah sie über Matts Schulter hinweg Leila in
der Tür stehen. Ihre grünen Augen waren dunkel vor Wut.
Blitzschnell hatte sie das Zimmer durchquert und Matt so
kräftig am Schopf gepackt, daß sein Kopf zurückschnellte,
wobei sie ihn heftig anschrie – alles Wörter, die Elizabeth
nicht verstand. Und dann brüllte sie:
«Schlimm genug, was die anderen Kerle mir angetan
haben, aber ich bringe dich um, wenn du sie auch nur
anrührst!»
Matts Füße landeten krachend auf dem Boden. Mit einer
Seitwärtsdrehung versuchte er, sich von Leila
freizumachen. Doch sie hatte sein langes Haar fest im
Griff, so daß jede Bewegung für ihn schmerzhaft war. Er
fing seinerseits an, Leila anzuschreien, und wollte auf sie
einschlagen.
Mama mußte wohl den Lärm gehört haben, denn das
Schnarchen verstummte. Sie kam ins Zimmer, in ein
Bettlaken gehüllt, Ringe unter den trüben Augen, das
schöne rote Haar zerzaust. «Was geht hier vor?» murmelte
sie. Ihre verschlafene Stimme klang ärgerlich. Elizabeth
entdeckte eine Beule an ihrer Stirn.
«Mach du lieber deiner Tochter klar, daß sie nicht
verrückt spielen soll, wo ich doch bloß ’n bißchen nett
sein und ihrer Schwester vorlesen wollte – was ist denn da
schon dabei?» Es hörte sich wütend an, aber Elizabeth
merkte, daß Matt es mit der Angst zu tun bekam.
«Und du mach lieber diesem miesen Kinderschänder
klar, daß er sich rausscheren soll, oder ich rufe die
Polizei.» Leila riß Matt noch einmal heftig am Schopf,
bevor sie ihn losließ, um ihn herumging, sich zu Elizabeth
aufs Bett setzte und sie in die Arme nahm.
Mama begann auf Matt einzuschreien, dann begann
Leila, auf Mama einzuschreien, und schließlich gingen
Mama und Matt in ihr Zimmer und stritten sich dort
weiter. Danach – lange Schweigepausen. Als sie aus dem
Zimmer kamen, waren sie angezogen und sagten, das
Ganze sei ein Mißverständnis und sie wollten jetzt ein
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