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Der Mord zum Sonnntag

Der Mord zum Sonnntag

Titel: Der Mord zum Sonnntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Bewegungen mit großem Schmerz. Bei jeder Begegnung
tauchte eine andere Erinnerung blitzartig auf. Diesmal war
es der Memorial Day in Gander, und ihr Flug wurde
wegen eines heftigen Schneesturms anulliert. Spät in der
Nacht gab es zwischen ihr und Tom eine
Schneeballschlacht. Tom hatte auf die Uhr geschaut und
gesagt: «Ist dir klar, daß in zwei Minuten der erste Juni
beginnt? Ich hab’ noch nie ein Mädchen bei Schneesturm
am ersten Juni geküßt.» Seine Lippen streiften ihre Wange
und waren kalt, fanden ihren Mund und waren ganz warm.
«Ich liebe dich, Carol.» Es war das erste Mal, daß er das
gesagt hatte.
Carol schluckte ihren Kummer hinunter und kehrte auf
den Boden der Tatsachen zurück. Sie stand im Gang, Tom
vor ihr, Joe war in Gefahr, und es gab keinen Ausweg.
«Wollen Sie wirklich keine Hilfe beim Dinner, Carol?»
Sein Ton war unpersönlich, doch sein Blick suchte den
ihren. Sie fragte sich, ob auch er solche spontanen
Erinnerungen hatte.
«Nicht nötig», erwiderte sie. «Ich fange gleich damit
an.» Das bedeutete, in die Küche hinaufzugehen und Joe
der Entdeckung auszusetzen, aber …
Tom räusperte sich und suchte offenbar nach Worten.
«Wie fühlt man sich so als einzige Frau an Bord, Carol
…»
Der Satz blieb hängen, doch es dauerte Sekunden, bis
Carol seine volle Bedeutung erfaßte. Ihr Blick wanderte
von einem Passagier zum anderen: alles Männer. Sie hatte
um ein Versteck für Joe gebetet und ausgerechnet von
Tom den entscheidenden Hinweis bekommen! Die
Damentoilette! Perfekt. Und so einfach.
Tom betrachtete sie prüfend, als sie lässig erwiderte:
«Gefällt mir großartig, hier die einzige Frau zu sein,
Captain. Keine Konkurrenz.»
Tom wollte gehen, hielt zögernd inne. «Carol, trinken
Sie in Frankfurt eine Tasse Kaffee mit mir. Wir müssen
miteinander reden.»
Es war geschehen. Sie fehlte ihm auch. Wenn sie jetzt zu
ihm sagte: «Ich hab’ einen blinden Passagier an Bord
entdeckt», wäre alles ganz einfach. Tom könnte die
Anerkennung einheimsen, und Danubia wäre dankbar. Es
könnte eine Verlängerung der Flugverkehrsrechte für
Northern bedeuten und ihn für die Scherereien im
vergangenen Jahr entschädigen. Aber sie konnte Joe nicht
dem Tod ausliefern, auch nicht um den Preis von Toms
Liebe. «Fragen Sie mich das in Frankfurt, wenn Sie’s dann
immer noch möchten», sagte sie.
Nachdem Tom im Cockpit verschwunden war, kehrte sie
auf den Platz neben Joe zurück und überprüfte die
Passagiere mit raschem Blick. Die beiden Freunde waren
in ihr Schachspiel vertieft. Der ältere Herr war eingenickt.
Der Vierziger betrachtete die Wolken. Der Pedant beugte
sich über seine Zeitung. Der Kopf des Polizeichefs ruhte
an der Sessellehne. Die Hoffnung, daß er ein Schläfchen
machte, dürfte wohl übertrieben sein. Bestenfalls war er in
Gedanken versunken und würde sich vielleicht nicht
umdrehen.
Sie beugte sich hinunter. «Joe, Sie müssen sich nach
hinten, ins Heck der Maschine, schleichen. Die
Damentoilette ist auf der linken Seite. Gehen Sie rein und
verschließen Sie die Tür gut.»
Gerade in diesem Moment begegnete sie dem Blick des
Polizeichefs, als er sich umdrehte. «Joe, ich muß die
Beleuchtung ausschalten. Wenn ich das tue, verschwinden
Sie schleunigst! Haben Sie verstanden?»
Joe streifte sich die Decke vom Kopf. Sein Haar war
zerzaust, und die Augen blinzelten in dem hellen Licht. Er
sah aus wie ein Zwölfjähriger, den man aus festem Schlaf
geweckt hatte. Doch als sich seine Augen an das Licht
gewöhnt hatten, waren es die Augen eines Mannes –
müde, angespannt.
Er nickte leicht, für Carol eine ausreichende Bestätigung,
daß er begriffen hatte. Sie erhob sich. Der Polizeichef
hatte seinen Platz verlassen und eilte auf sie zu.
Sekundenschnell war sie am Lichtschalter und tauchte
die Kabine in Dunkel. Die Passagiere reagierten mit
Schreckensrufen. Carol schrie noch lauter als die anderen.
«Entschuldigung! Wie dumm von mir! Ich kann
anscheinend den richtigen Schalter nicht finden …»
Ein Türklappen – hatte sie das Klicken gehört, oder war
es bloß Wunschdenken?
«Schalten Sie die Beleuchtung ein, Stewardeß.» Eine
eisige Stimme, eine harte Hand auf ihrem Arm.
Carol betätigte den Schalter und starrte in das
wutverzerrte Gesicht des Polizeichefs.
«Warum?» herrschte er sie an.
«Wie meinen Sie das, Sir? Ich wollte bloß das Mikrofon
einschalten, um das Dinner anzukündigen. Sehen Sie – der
Schalter liegt

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