Der Mord zum Sonnntag
wirkliche Leila. Sicher, wenn sie in einem neuen
Stück spielte, konnte es Überreaktionen geben. Sie war
schließlich eine Perfektionistin. Aber so wie an dem
Abend hat sie sich noch nie aufgeführt.»
«Was taten Sie?»
«Wir haben uns alle bemüht, sie zu beruhigen. Doch das
bewirkte nur das Gegenteil. Als Ted versuchte, vernünftig
mit ihr zu reden, zog sie den Verlobungsring vom Finger
und schleuderte ihn quer durchs Lokal.»
«Wie reagierte er?»
«Er war wütend, wollte sich aber nichts anmerken
lassen. Ein Kellner brachte den Ring zurück, und Ted
steckte ihn ein. Er versuchte, die Sache ins Lächerliche zu
ziehen, und sagte ungefähr: ‹Den nehm ich erst mal in
Verwahrung bis morgen, wenn sie sich wieder abgeregt
hat.› Danach verfrachteten wir sie ins Auto und fuhren
nach Hause. Ted half mir, sie zu Bett zu bringen. Ich
versprach ihm, dafür zu sorgen, daß sie ihn am nächsten
Morgen anrief, sobald sie aufwachte.»
«Im Zeugenstand werde ich Sie nun nach den
Wohnverhältnissen der beiden fragen.»
«Er hatte im zweiten Stock ein eigenes Apartment. Ich
blieb die Nacht über bei Leila. Sie schlief bis mittags. Als
sie nach zwölf aufwachte, fühlte sie sich miserabel. Ich
gab ihr Aspirin, und sie legte sich wieder hin. Ich rief an
ihrer Stelle bei Ted an. Er war im Büro und bat mich, ihr
auszurichten, daß er abends gegen sieben zu ihr
hinaufkäme.»
Elizabeth merkte, daß ihre Stimme zu schwanken anfing.
«Tut mir leid, aber ich muß weitermachen. Vielleicht
könnten Sie das Ganze einfach nur als Probe ansehen. Je
besser Sie vorbereitet sind, desto leichter wird es Ihnen
später im Zeugenstand fallen.»
«Ist schon gut.»
«Haben Sie mit Ihrer Schwester über den
vorhergehenden Abend gesprochen?»
«Nein. Sie wollte offenbar nicht darüber reden. Sie war
sehr still. Ich solle jetzt nach Hause fahren und endlich
auspacken, sagte sie. Ich hatte nämlich meine Koffer nur
abgestellt und war dann gleich ins Theater gestürzt. Sie bat
mich, sie gegen acht anzurufen, wir würden dann
zusammen zu Abend essen. Ich nahm an, sie meinte damit
sich, Ted und mich. Aber dann erklärte sie, daß sie seinen
Ring nicht zurücknehmen würde. Sie sei fertig mit ihm.»
«Das ist ein sehr wichtiger Punkt, Miss Lange. Ihre
Schwester sagte Ihnen, sie gedenke die Verlobung mit Ted
Winters zu lösen?»
«Ja.» Elizabeth starrte auf ihre Hände hinunter. Sie
erinnerte sich, wie sie sie Leila auf die Schultern gelegt
und ihr dann damit über die Stirn gestrichen hatte. Hör
auf, Leila. Das meinst du doch nicht im Ernst.
Aber ja, Spatz.
Nein, das stimmt nicht.
Was du denkst, ist deine Sache, Spatz. Ruf mich
jedenfalls gegen acht an, ja?
In diesen letzten Minuten, die sie bei Leila war, hatte sie
ihr die kalte Kompresse auf die Stirn gelegt, hatte sie fest
in die Decken eingepackt und dabei gedacht, daß sie in ein
paar Stunden wieder ganz sie selbst sein und die
Geschichte amüsiert lachend als köstliche Anekdote zum
besten geben würde. «Also hab ich Syd rausgeschmissen,
Teds Ring weggeschmissen und die Rolle hingeschmissen.
Das alles ging im Elaine in knapp zwei Minuten über die
Bühne. Eine reife Leistung, oder?» Und dann würde sie
den Kopf in den Nacken werfen und lachen, und
rückblickend bekäme der Zwischenfall plötzlich Komik –
ein Star, der in der Öffentlichkeit seinen Koller kriegt.
«Es war reines Wunschdenken, weil ich unbedingt daran
glauben wollte», hörte Elizabeth sich zu William Murphy
sagen.
Hastig begann sie den Rest herauszusprudeln. «Ich rief
um acht an … Leila und Ted stritten sich. Sie klang, als
habe sie wieder getrunken. Sie bat mich, in einer Stunde
noch mal anzurufen. Das tat ich. Sie weinte. Sie hatte Ted
weggeschickt und wiederholte unentwegt, daß sie keinem
Mann trauen könne, daß sie keinen haben wolle, und ich
solle mit ihr zusammen fortgehen.»
«Wie reagierten Sie darauf?»
«Ich ließ nichts unversucht, um sie zu beruhigen. Ich
erinnerte sie daran, daß sie bei jedem neuen Stück solche
nervösen Zustände bekam. Ich sagte ihr, diesmal sei ihr
die Rolle wirklich auf den Leib geschrieben. Ich hielt ihr
vor, daß Ted ganz vernarrt in sie sei, und das wisse sie
auch. Dann tat ich wütend. Ich erklärte ihr …»
Elizabeth stockte. Sie wurde kreidebleich. «Ich erklärte
ihr, sie höre sich haargenau so an wie Mama, wenn sie
wieder mal blau war.»
«Was sagte sie?»
«Anscheinend hatte sie das gar nicht mitgekriegt. Sie
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