Der Mord zum Sonnntag
wiederholte nur dauernd: ‹Ich bin fertig mit Ted. Du bist
die einzige, der ich noch vertrauen kann. Versprich mir,
Spatz, daß du mit mir weggehst.›»
Elizabeth versuchte nicht mehr, die Tränen
zurückzudrängen, die ihr in die Augen stiegen. «Sie
weinte und schluchzte …»
«Und dann …»
«Ted kam zurück. Er begann sie anzuschreien.»
William Murphy beugte sich vor. Seine Stimme wurde
eisig.
«Also, Miss Lange, hier handelt es sich um den
entscheidenden Punkt Ihrer Aussage. Bevor Sie sich im
Zeugenstand näher dazu äußern, muß ich das Fundament
legen, um den Richter zu überzeugen, daß Sie diese
Stimme tatsächlich erkannt haben. Das gedenke ich
folgendermaßen zu tun …» Er hielt inne, um die
Spannung zu erhöhen. «Frage: Sie hörten eine Stimme?»
«Ja», entgegnete sie tonlos.
«Wie laut war diese Stimme?»
«Sie schrie.»
«Wie klang diese Stimme?»
«Wütend.»
«Wie viele Wörter hörten Sie diese Stimme
aussprechen?»
Elizabeth überlegte kurz. «Elf Wörter. Zwei Sätze.»
«Haben Sie diese Stimme schon mal gehört, Miss
Lange?»
«Unzählige Male.» Teds Stimme klang ihr in den Ohren.
Ted, wie er lachte und Leila zurief: «He, Primadonna,
beeil dich! Ich hab Hunger!» Ted, wie er Leila geschickt
an einem allzu enthusiastischen Verehrer vorbeilotste:
«Steig schnell ein, Liebling.» Ted, wie er im vergangenen
Jahr bei ihrer eigenen Off-Broadway-Premiere erschien.
«Ich soll Leila haarklein Bericht erstatten. Das Ganze
kann ich in drei Worten zusammenfassen: Du warst
einmalig …»
Was hatte Murphy sie gefragt? … «Miss Lange, haben
Sie erkannt, wessen Stimme Ihre Schwester anschrie?»
«Eindeutig!»
«Miss Lange, wem gehörte die Stimme, die im
Hintergrund schrie?»
«Ted … Ted Winters.»
«Was schrie er?»
Unwillkürlich antwortete sie diesmal lauter: «Leg den
Hörer auf! Du sollst den Hörer auflegen, sag ich!»
«Hat Ihre Schwester darauf reagiert?»
«Ja.» Elizabeth rutschte unruhig hin und her. «Müssen
wir das bis ins einzelne durchgehen?»
«Das wird es Ihnen erleichtern, wenn Sie sich vor dem
Prozeß überwinden, darüber zu reden. Also was hat Leila
gesagt?»
«Sie schluchzte immer noch … und sagte:
‹Verschwinde. Du willst ein Falke sein …?› Und dann
knallte der Hörer auf die Gabel.»
«Sie hat den Hörer hingeknallt?»
«Ich weiß nicht, wer von beiden das getan hat.»
«Miss Lange, macht das Wort ‹Falke› für Sie
irgendeinen Sinn?»
«Ja.» Sie sah Leilas Gesicht deutlich vor sich, den
zärtlichen Augenausdruck, wenn sie Ted anblickte, die
spontane Art, wie sie auf ihn zuging und ihn küßte. Ich
liebe dich, mein Falke.
«Und wieso?»
«Das war Teds Spitzname … der Kosename, den ihm
meine Schwester gegeben hatte. Das tat sie nämlich mit
Vorliebe – für jeden, der ihr nahestand, dachte sie sich
einen passenden Namen aus.»
«Hat sie irgendwann noch jemanden so genannt?»
«Nein … nie.» Elizabeth stand abrupt auf und ging zum
Fenster. Es war mit einer Staubschicht bedeckt. Ein
Schwall feuchtwarmer Luft schlug ihr entgegen, als sie es
öffnete. Wenn ich doch nur hier wegkäme, dachte sie
sehnsüchtig.
«Nur noch ein paar Minuten, Miss Lange, das
verspreche ich Ihnen. Wissen Sie, um welche Zeit der
Hörer hingeknallt wurde?»
«Genau um 21 Uhr 30.»
«Sind Sie da absolut sicher?»
«Ja. Während meiner Abwesenheit muß es einen
Stromausfall gegeben haben. Ich habe an dem Morgen
meine Uhr neu gestellt. Die Zeit stimmt, kein Zweifel.»
«Was taten Sie dann?»
«Ich war schrecklich aufgeregt. Ich mußte Leila sehen,
stürzte auf die Straße. Es dauerte mindestens fünfzehn
Minuten, bis ich ein Taxi erwischte. Als ich in Leilas
Apartment kam, war es zehn vorbei.»
«Und es war kein Mensch da.»
«Niemand. Ich versuchte Ted anzurufen. Es meldete sich
keiner. Da wartete ich einfach.» Sie wartete die ganze
Nacht, schwankend zwischen Sorge und Erleichterung; sie
hoffte, Leila und Ted hätten sich wieder versöhnt und
wären ausgegangen, und ahnte nicht, daß Leila tot und
zerschmettert im Hof lag.
«Als am nächsten Morgen die Leiche entdeckt wurde,
nahmen Sie an, sie müsse von der Terrasse gestürzt sein?
Warum sollte sie in einer kalten Märznacht nach draußen
gehen?»
«Sie stand gern auf der Terrasse und genoß den Blick
auf die Stadt. Bei jedem Wetter. Ich mahnte sie immer
wieder zur Vorsicht … Das Geländer war nicht besonders
hoch. Schließlich hatte sie viel getrunken, dachte ich, sich
zu weit über
Weitere Kostenlose Bücher